Klimaschutz und regionale Wertschöpfung

Die HYMAT des grünen Wasserstoffs

Düsseldorf/Steinfurt, 13.10.2021 • Fossile Energien durch regional hergestellten grünen Wasserstoff zu ersetzen, ist das Ziel des HYMAT-Energie Projekts im Kreis Steinfurt. Ein gut organisiertes Netzwerk, eine Anlaufstelle für Start-ups und die enge Verbindung zu Wissenschaft und Innovation sind Meilensteine auf diesem Weg. Das Vorhaben wird gefördert durch das Sonderprogramm Umweltwirtschaft des NRW-Umweltministeriums. Verbundpartner sind der energieland2050 e.V., die FH Münster und die Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft Steinfurt mbH.

Das Geheimnis des Wasserstoffs liegt in einer ungewöhnlichen Eigenschaft. Wenn seine winzigen Moleküle verbrannt werden, wird viel Energie frei – und ansonsten entsteht bloß reines Wasser. Im Unterschied zu allen anderen gängigen Brennstoffen entwickelt sich dabei kein Ruß, kein Rauch und vor allem: kein CO2. Noch eleganter geht das in einer Brennstoffzelle: Da braucht es nicht mal eine Flamme. Der Wasserstoff reagiert zu Wasser und liefert dabei elektrischen Strom. Kein Wunder, dass viele in dem Gas den Ausweg aus der Klimakrise sehen.

Doch ganz so einfach ist es nicht. Als Energieträger verfügt Wasserstoff zwar über geradezu ideale Eigenschaften. Er kann klimaneutral hergestellt, gespeichert, transportiert und wieder genutzt werden. Doch hierfür braucht es viel Energie – und nicht weniger Know-how. Von der Wasserstoffproduktion über die Nutzung als Kraftstoff im Verkehr bis hin zu industriellen Anwendungen müssen noch zahlreiche Lösungen entwickelt werden, um Wasserstoff vor Ort konkret zu nutzen. Dazu bedarf es der Zusammenarbeit der unterschiedlichsten Beteiligten. Das Projekt HYMAT-Energie im westfälischen Kreis Steinfurt bietet dafür eine Plattform an.

„Der Wasserstoff-Markthochlauf  ist komplex, ist aber ein wichtiger Teil der Energiewende. Um jetzt den Klimaschutz und die regionale Wertschöpfung im Kreis Steinfurt mit grünem Wasserstoff voranzubringen, arbeiten wir hier intensiv zusammen, dafür gibt es HYMAT-Energie“, erläutert Silke Wesselmann. Als Leiterin des Amts für Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Kreis Steinfurt ist sie zugleich die Geschäftsführerin im energieland2050 e.V., der das Vorhaben koordiniert. „Wir bauen unser Netzwerk auf, unterstützen Start-ups und binden auch die Hochschulen ein, um den Transfer von Forschung zu den Unternehmen zu beschleunigen. Damit schaffen wir Grundlagen für klimagerechtes Wachstum in unserer Region.“

Grüner Wasserstoff speichert Bürgerwind

Wasserstoff gilt allgemein als Hoffnungsträger der Energiewende. Doch das Steinfurter Projekt hat einen ganz konkreten Ausgangspunkt: „Der Kreis Steinfurt engagiert sich seit über zehn Jahren für Windenergie in Bürgerhand. Bei uns stehen 300 Windenergieanlagen, rund die Hälfte davon in Bürgerwindparks“, sagt Silke Wesselmann. „Schon 2015 haben wir uns gefragt, wie diese Windparks weiterbetrieben werden können, wenn die EEG-Förderung ausläuft. Wasserstoff könnte hier interessante Geschäftsfelder ermöglichen.“ In der Tat liefert Wasserstoff Antworten auf gleich zwei Fragen, die die erneuerbaren Energien seit ihren Gründerjahren begleiten. Die erste dreht sich um deren Volatilität, bei der zweiten geht es ums Geld.

Die erneuerbaren Energien liefern im Unterschied zu konventionellen Kraftwerken nicht kontinuierlich dieselbe Energiemenge, besonders Windkraft und Sonnenenergie sind vom Wettergeschehen abhängig. Das heißt: Solange der Wind weht oder die Sonne scheint, ist viel Energie vorhanden. Bei Flaute und Dunkelheit jedoch fehlt Energie und muss auf anderen Wegen bereitgestellt werden. Um damit im Energiesystem umzugehen, muss Energie in großen Mengen gespeichert werden. Wasserstoff bietet sich hierfür geradezu an.

„Ein Elektrolyseur wandelt saubere elektrische Energie in saubere chemische Energie, also Wasserstoff, um“, erläutert Wesselmann, „und der Wasserstoff kann im Gegensatz zu Strom gespeichert werden, sodass die Energie planbar und an anderer Stelle nutzbar wird: zum Beispiel, um ein Fahrzeug anzutreiben oder für energieintensive Prozesse in der Industrie.“ Dieser Wasserstoff, der auf der Grundlage erneuerbarer Energien produziert wurde, wird „grüner Wasserstoff“ genannt. Und wie bei jeder Energieumwandlung geht auch bei der Produktion und Nutzung von grünem Wasserstoff Energie verloren. Dennoch überwiegen unter dem Strich die Chancen der Technologie, wenn man sie überlegt einsetzt. Ein Punkt, der auch in Steinfurt hohe Priorität besitzt: „Mir ist wichtig, dass der Klimaschutz im Mittelpunkt steht. Wir wollen grünen Wasserstoff dort einsetzen, wo es sinnvoll ist. Dazu schauen wir genau hin und raten auch von Projekten ab, falls es etwas Besseres gibt, was man für den Klimaschutz tun kann.“

Wasserstoff, wenn die EEG-Förderung ausläuft

Die Windenergieanlagen im Kreis Steinfurt werden wie überall in Deutschland nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz gefördert. Diese Förderung ist an den Betrieb gekoppelt: Was die Anlage an Strom produziert, wird garantiert abgenommen, ins Netz eingespeist und zu einem festen Betrag pro Kilowattstunde vergütet. Dieser Mechanismus endet nach 20 Betriebsjahren. Danach müssen sich die Betreiber um die Vermarktung ihres Stroms kümmern. An der Strombörse wird dieser zu aktuellen Preisen gehandelt, die wesentlich unter der zuvor garantierten Vergütung liegen. Daraus ergibt sich ein Dilemma: Obwohl für den Klimaschutz der Weiterbetrieb vieler Alt-Anlagen sinnvoll wäre, werden sie aus wirtschaftlichen Gründen oftmals zurückgebaut.

Mit Hilfe von Wasserstoff ergeben sich hier neue Geschäftsmodelle: So können die Windenergieanlagen unter anderem weiterbetrieben werden, um grünen Wasserstoff per Elektrolyse zu produzieren. Dieser kann dann beispielsweise als klimaneutraler Kraftstoff vermarktet werden. „In unserer Region wird Jahr für Jahr für etwa 700 Millionen Euro Benzin oder Diesel getankt. Wenn nur ein Teil davon durch Wasserstoff ersetzt wird, den wir hier in der Region herstellen, entstehen ganz neue Wertschöpfungsmöglichkeiten“, beschreibt Wesselmann. „Erste Projekte dazu sind beispielsweise die Buslinie S50 von Münster über Saerbeck nach Ibbenbüren, die in den kommenden Jahren auf Wasserstoff umgestellt und mit grünem Wasserstoff aus dem Kreis betankt werden wird. Auch öffentliche H2-Tankstellen werden kommen, und viele Privatunternehmen im Kreis planen schon mit Wasserstoff.“ Passend zu diesen Ambitionen hat im Kreis Steinfurt zuletzt ein Hersteller innovativer Elektrolyseure mit dem Aufbau der ersten Massenproduktion begonnen.

Ein Netzwerk rund um den Wasserstoff

Rund um diese regionale Wertschöpfung entstehen die Strukturen im Projekt HYMAT-Energie. Etwa 100 Unternehmen aus dem Kreis Steinfurt haben sich bereits dem zentralen Unternehmensnetzwerk angeschlossen. Darüber hinaus wurde ein Accelerator-Programm „Storch.Energy“ aufgebaut, das Start-ups aus der Erneuerbaren- und Wasserstofftechnologie auf dem Weg zur Umsetzung unterstützt. Gute Geschäftsideen haben die Chance, mit Unterstützung von Mentoren und dem vorhandenen Netzwerk zu reifen und skalierbare Geschäftsmodelle zu entwickeln. Für jede Frage stehen Experten zur Verfügung. Schließlich kümmert sich ein eigener Kompetenzcluster an der FH Münster-Steinfurt um den Technologietransfer sowie Forschung und Entwicklung zum Thema Wasserstoff. Die FH Münster stellt mit ihrem Standort Steinfurt einen großen Anteil an diesen Angeboten. Außerdem ist die Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft Steinfurt (WESt mbH) unter anderem mit ihrer Kompetenz in der Gründungsberatung als Projektpartner beteiligt.

Im Rahmen der Förderung durch das Sonderprogramm Umweltwirtschaft soll das gemeinsame Portfolio nun verstetigt werden. „Jeder, der in der Region das Wort Wasserstoff buchstabiert, soll wissen, dass wir da sind, um zu vernetzen, Projekte zu unterstützen, Know-how zu vermitteln, Start-ups auf den Weg zu bringen. Am Ende des Projektzeitraums möchten wir unsere Strukturen gefestigt haben, ein Wasserstoff-Netzwerk, das gelebt, bekannt und erfolgreich ist, sodass der klimafreundliche Fortschritt nicht mehr zurückgedreht werden kann.“

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Das Projekt „HYMAT-Energie“ wird im Rahmen der Umweltwirtschaftsstrategie des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert. Um den Klimaschutz und die regionale Wertschöpfung zu stärken und die wirtschaftliche Nutzung von Wasserstoff im Kreis voranzubringen, baut der Kreis Steinfurt ein innovatives Netzwerk zur Wasserstofftechnologie auf, unterstützt Start-ups und den Forschungstransfer. Umweltwirtschaft – Vorsprung für NRW.

Projekt

Netzwerk HYMAT-Energie

Kontakt

Silke Wesselmann
silke.wesselmann(at)avoid-unrequested-mailskreis-steinfurt.de

Projektpartner

energieland2050 e.V.

FH Münster, Fachbereich Energie · Gebäude · Umwelt am Standort Steinfurt

TAFH Münster GmbH gemeinsam mit WESt mbH, Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft Steinfurt

Website

www.hymat-energie.de

Weitere Informationen

Start-up Accelerator

Projektwebsite der FH Münster