Die Umweltwirtschaft im Zentrum der Klimawende

Im Rahmen des Klimaschutzgesetzes hat sich Deutschland zur Klimaneutralität bis 2045 bekannt und ambitionierte Reduktionspfade für alle Sektoren formuliert. Bereits 2030 sollen die Emissionen in den Sektoren Verkehr, Industrie, Gebäude, Energiewirtschaft und Landwirtschaft um 65 % im Vergleich zu 1990 sinken*. Als bevölkerungsreichstes Bundesland hat sich auch Nordrhein-Westfalen dazu entschlossen, so schnell wie möglich entlang des 1,5-Grad-Ziels Klimaneutralität mit Netto-Null-Emission zu erreichen, spätestens jedoch im Jahr 2045.**

Um dieses Ziel zu erreichen, kommt der Umweltwirtschaft in Nordrhein-Westfalen eine Schlüsselrolle zu, da sie für alle Sektoren verschiedene Güter und Leistungen bereitstellt, die die Transformation zu einer klimaneutralen Industrieregion ermöglichen.

Den Wertschöpfungsaktivitäten der verschiedenen Teilmärkte der Umweltwirtschaft im Jahr 2020 lassen sich Emissionseinsparungen von 55 Mio. t CO₂-Äquivalenten zuordnen. Zu beachten ist dabei, dass in dieser Summe auch Einsparungen berücksichtigt sind, die außerhalb Nordrhein-Westfalens erzielt wurden (wenn Klimaschutztechnologien aus NRW exportiert wurden, siehe hierzu auch Kapitel 6 zu den internationalen Märkten) sowie erwartete künftige Einspareffekte durch den fortlaufenden Betrieb gefertigter Technologiegüter (z. B. einer Windkraftanlage über 20 Jahre). In der Abbildung unten sind die jeweiligen Emissionsminderungen der Teilmärkte abgebildet. Mit Hilfe des Kostensatzes der Methodenkonvention des Umweltbundesamtes können diesen Emissionsminderungen vermiedene Klimaschäden in Höhe von 10,7 Mrd. Euro zugeschrieben werden.

Dem Teilmarkt Umweltfreundliche Mobilität (UMO) können für 2020 etwa 12,2 Mio. t eingesparte Emissionen zugeordnet werden, die im Wesentlichen durch den öffentlichen Personenverkehr (4,1 Mio. t) und die nachhaltige Logistik (8 Mio. t) mit Bahn und Schiff zustande kommen. Diese Werte resultieren aus dem Vergleich zu einem kontrafaktischen Szenario, das annimmt, die Personen- bzw. Tonnenkilometer der umweltfreundlichen Mobilitätsträger würden stattdessen mit dem PKW bzw. LKW geleistet und entsprechend mehr Emissionen verursachen. Aus der Differenz zu den gegenwärtigen Verkehrsemissionen lässt sich der Einspareffekt des Teilmarktes abschätzen. Zusätzlich führt der beginnende Markthochlauf der Elektromobilität, der Einsatz von Biokraftstoffen und der Einsatz effizienterer Fahrzeugtechnologien zu Einsparungen von etwa 30.000 t.

Für den Teilmarkt Materialien, Materialeffizienz und Ressourcenwirtschaft (MMR) ergeben sich hohe sekundäre Emissionseinsparungen als Nebeneffekt der Materialienverwertung. Mit Hilfe der stofflichen Verwertung, die Materialien in den Wirtschaftskreislauf zurückführt, wird die Primärproduktion vermieden, die zum Beispiel bei Stahl oder Aluminium hohe Emissionen verursacht. Daraus ergeben sich Einsparungen von etwa 6,1 Mio. t CO₂-Äquivalenten. Auch durch die energetische Verwertung von Abfällen, die die konventionelle Energieerzeugung substituiert, werden etwa 5,4 Mio. t CO₂-Äquivalente eingespart.

Auch für den Teilmarkt der Nachhaltigen Holz- und Forstwirtschaft (NHF) ergeben sich signifikante sekundäre Einsparungen. Die Bereitstellung von Holzbaustoffen führt zur Substitution anderer Materialien wie Beton und Stahl und mindert darüber die Emissionen im Jahr 2020 um 9,5 Mio. t CO₂-Äquivalente. Der Wert ergibt sich aus dem Verhältnis bereitgestellter Holzbaustoffe zu den entsprechenden Emissionsminderungen und wird mit der Bruttowertschöpfung für 2020 verrechnet. Zusätzlich wird die jährliche CO₂-Einspeicherung der Wälder berücksichtigt.

Um die Ziele der Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, ist die Energiewende und der Ausbau der erneuerbaren Energien von zentraler Bedeutung. Im Teilmarkt Umweltfreundliche Energiewandlung, -transport und -speicherung (ETS) werden durch die Leistungen im Jahr 2020 rund 10 Mio. t an Emissionen eingespart. Erfasst werden die Wind- und Wasserkraft, Photovoltaik, Bioenergie und der Einsatz von Geothermie, die jeweils entlang der Merit-Order des Kraftwerkseinsatzes konventionelle Anlagen substituieren.*** Zusätzlich wird der Ausbau des Stromnetzes anteilig erfasst. Im Zuge der angebotsseitigen Erfassung wird die Emissionseinsparung einer Anlage auf zwei Bestandteile aufgeteilt. Zum einen der Anteil des Betriebes, der mit Hilfe der variablen Kosten (OPEX) ermittelt wird, zum anderen wird der Herstellung der Anlage gemäß des Fixkostenanteils (CAPEX) eine Emissionsminderung zugeschrieben. Als Grundlage dienen Emissionsminderungsfaktoren des Umweltbundesamtes.**** Die jeweiligen Emissionsminderungen je Euro werden mit den entsprechenden Wertschöpfungsaktivitäten in Nordrhein-Westfalen verrechnet.

Während die installierte Leistung je erneuerbarer Energietechnologie jährlich zunimmt, sinkt der Anteil der produzierten Technologien durch die NRW-Umweltwirtschaft kontinuierlich ab. Daraus folgt, dass der Anteil der Emissionseinsparungen, die unmittelbar der Umweltwirtschaft in Nordrhein-Westfalen zuzurechnen sind, durch die Bereitstellung der Technologie sinkt.

Als fünfter Teilmarkt mit signifikanten primären Emissionseinsparungen wurde für Energieeffizienz und Energieeinsparung (EEF) die Klimaleistung erfasst. Dabei wurde differenziert nach Haushalten, Gewerbe/Handel/Dienstleistungen (GHD) und dem verarbeitenden Gewerbe. Mit Hilfe eines durchschnittlichen Referenzhauses eines deutschen Haushaltes wurde die Effizienzleistung von Dämmmaterialien geschätzt und eine Emissionseinsparung von etwa 6,4 Mio. t CO₂-Äqivalente ermittelt. Für den GHD-Sektor und das verarbeitende Gewerbe wurden kontrafaktische Szenarien gebildet, die die theoretischen Energieverbräuche abbilden, als wären seit 1990 keine Energieeffizienzfortschritte erzielt worden. Daraus resultieren etwa 600.000 t CO₂-Äqivalente im GHD-Sektor und 590.000 t CO₂-Äqivalente für das verarbeitende Gewerbe, die pro Jahr eingespart werden.

Im Teilmarkt Umweltfreundliche Landwirtschaft (ULA) ergeben sich durch den ökologischen Anbau und weitere Agrarumweltmaßnahmen etwa 125.000 t eingesparter Treibhausgas-Emissionen, was eingesparten Klimaschäden in Höhe von ca. 24 Mio. Euro entspricht. Dies kommt durch den geringeren Einsatz von Düngemitteln zustande, wodurch weniger Energie für die Herstellung der Düngemittel und nach ihrer Ausbringung auf dem Feld weniger klimawirksames Lachgas freigesetzt wird. Darüber hinaus verbessert der ökologische Landbau die Humusbilanz, wodurch mehr CO₂ im Boden gespeichert wird.*****

In den weiteren Teilmärkten der Umweltwirtschaft, der Wasserwirtschaft (WAS) und den Minderungs- und Schutztechnologien (MST) konnten keine signifikanten Klimawirkungen ermittelt werden.

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* Bundesregierung (2022): Klimaschutzgesetz 2021. Generationenvertrag für das Klima.

** Landesregierung NRW (2022): Klimaschutzgesetz Nordrhein-Westfalen.

*** Unter der Merit-Order ist die Reihenfolge gemeint, in der Strom produzierende Kraftwerke ihr Angebot am Markt bereitstellen. Für eine gegebene Stromnachfrage wird zunächst das Kraftwerk mit den geringsten Grenzkosten Strom produzieren und anbieten, in der Regel sind das die erneuerbaren Energien wie Wind oder Photovoltaik. Reicht das Angebot nicht, um die Nachfrage zu decken, werden die nächstteureren Anlagen Strom bereitstellen, in der Regel Braun- und Steinkohle. Reicht auch deren Angebot nicht aus, wird der Betreiber einer Gaskraftanlage seine Stromproduktion erhöhen. Das bedeutet, dass konventionelle Anlagen wie Steinkohle, Braunkohle oder Gas erst dann Strom produzieren, wenn die Nachfrage nicht durch erneuerbare Energien gedeckt werden kann. Entsprechend ergibt sich daraus, dass eine zusätzliche Einheit erneuerbaren Stroms die zuvor markträumende Stromeinheit, die zum Beispiel mit Hilfe von Gaskraftwerken produziert wurde, aus dem Markt drängt.

**** Das UBA weist eine Netto-Bilanz je erneuerbarer Technologie aus, die die verursachten Emissionen entlang der jeweiligen Lebenszyklen mit den vermiedenen Emissionen durch die Substitution fossiler Energiewandlung verrechnet. Mit Hilfe einer modellgestützten Analyse wird die Kraftwerkssubstitution abgebildet, auf deren Grundlage sich die Emissionsminderung des Stromsystems mit erhöhter Nutzung der Erneuerbaren Energien ergibt. Betrachtet werden Treibhausgase (CO₂, CH₄, N₂O) und weitere Luftschadstoffe (CO und NMVOC).

***** Grajewski, R. (2021): Fortschritt bei der Umsetzung des Bewertungsplans des NRW-Programms Ländlicher Raum 2014 bis 2020, Berichtsjahr 2021, Fortschrittsbericht 1/2021. Thünen-Institut für Ländliche Räume, Braunschweig; Hülsbergen, K.J., Schmid, H., Paulsen, H.M. (Hrsg.) (2022): Steigerung der Ressourceneffizienz durch gesamtbetriebliche Optimierung der Pflanzen- und Milchproduktion unter Einbindung von Tierwohlaspekten – Untersuchungen in einem Netzwerk von Pilotbetrieben. Abschlussbericht. Thünen Report 92. Braunschweig.