Von Bakterien abgeschaut

Biologischer Dünger soll auch vor Klimastress und Schädlingen schützen

Düsseldorf/Bonn, 19.05.2021 • Die Bonner HGoTECH forscht zusammen mit der Universität Bonn und der RWTH Aachen University daran, synthetische Hilfsstoffe in Blattdüngern durch naturbasierte Verbindungen zu ersetzen. Der Clou: Diese Verbindungen sind naturverträglich und können außerdem Pflanzen gegen Schädlinge stärken. Ein daraus entwickelter Kombidünger soll künftig dazu beitragen, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren. Das Forschungsprojekt wird durch das Sonderprogramm Umweltwirtschaft des NRW-Umweltministeriums gefördert.

Pflanzen nehmen Nährstoffe in der Regel über ihre Wurzeln aus dem Boden auf. Gedüngt wird daher – was liegt näher? – meistens auch die Erde, in der die Pflanzen wachsen. Man nennt das Verfahren Bodendüngung, und es ist insbesondere im Ackerbau nicht zu ersetzen, schon aufgrund der großen Nährstoffmengen, die der Boden aufnehmen kann. Im Gemüse- und Obstanbau, und auch als ergänzende Düngungen für z.B. Getreide, ist mittlerweile eine andere Methode weltweit auf dem Vormarsch: die Blattdüngung.

„Blattdüngung ist definitiv im Kommen“, sagt der Agraringenieur Christian Heck, Geschäftsführer der Bonner HGoTECH GmbH. „International wurde das schon immer viel gemacht, vor allem auf schwierigen Böden. Mittlerweile ist das Thema auch in Deutschland angekommen, insbesondere um den Pflanzen Spurenelemente zuführen zu können.“

Blattdüngung: Schnell, effizient und wirksam

Die Gründe dafür sind vielfältig: So können vor allem basische Böden konventionellen Dünger chemisch so verändern, dass die Nährstoffe nicht von der Wurzel aufgenommen werden. Trockene Böden, wie sie aufgrund des Klimawandels hierzulande immer häufiger vorkommen, blockieren ebenfalls die Nährstoffaufnahme über die Wurzeln. Daher muss bei mehrjährigen Pflanzen oft ein Übermaß an Dünger in den Boden eingebracht werden, damit genug bei der Pflanze ankommt. Bei der Blattdüngung hingegen werden die Nährstoffe über die Blätter aufgenommen. So kommen die Nährstoffe direkt da in der Pflanze an, wo sie gebraucht werden. Mit weniger Düngemittel kann daher schneller und gezielter mehr erreicht werden.

Die Blattdüngung ist zwar sehr effizient, aber damit sie funktioniert, müssen dem Düngemittel synthetische Hilfsstoffe beigemengt werden, die ihrerseits im Ökosystem problematisch werden können. Dazu zählt insbesondere EDTA, eine chemische Substanz, die auch in Waschmitteln verwendet wird. EDTA ist in der Umwelt allerdings nur schlecht biologisch abbaubar. Hier setzt das Forschungsprojekt „RhamnoLizer“ an, das die HGoTECH zusammen mit der Universität Bonn und der RWTH Aachen University ins Leben gerufen hat.

Ein völlig neues Wirkprinzip

Genau genommen sind es zwei Ideen, die darin zu einer umweltwirtschaftlichen Innovation zusammenkommen. „Wir sind einer naturverträglichen Alternative zum EDTA auf der Spur, die ähnlich gut wirkt, und die wir mit Blattdüngern kombinieren wollen“, beschreibt Christian Heck den ersten Ansatz. Dr. Sylvia Schleker von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn ergänzt die zweite Idee: „Die Substanzen, die wir nutzen wollen, heißen Rhamnolipide. Sie sind biologisch abbaubar, kommen aus der Natur und haben Tensideigenschaften – sogenannte Biotenside. Wir haben Anhaltspunkte, dass diese Moleküle Pflanzen gegen abiotische Stressfaktoren wie Hitze, Kälte oder Trockenheit stärken, und wir wissen, dass sie auch vor biotischen Faktoren, also Krankheitserregern und Schädlingen, schützen.“

Wenn die Experimente der Gruppe erfolgreich verlaufen, steht am Ende der Beweis für ein völlig neues Wirkprinzip: Ein Blattdünger, der ohne EDTA auskommt und zugleich die Pflanzen stärkt, so dass weniger Pflanzenschutzmittel benötigt werden. „Das ist ein aufstrebender Markt. Die Nachfrage ist gigantisch, insbesondere suchen viele große Player gerade nach biologischen Alternativen zu ihren Pflanzenschutzmitteln. Alles, was in Richtung Pflanzengesundheit wirkt, wird ziemlich nachgefragt sein“, sagt Heck.

Bakterien produzieren die Substanz seit Jahrmillionen

Die Stoffe, die dies ermöglichen könnten, werden in der Natur von Bakterien produziert, die im Boden und auf Pflanzen leben und mit diesen in einer teilweise symbiotischen Beziehung stehen. Aus diesem Grund erfüllen Biotenside wie die Rhamnolipide eine Reihe wertvoller Aufgaben: „Bakterien, die auf Blattoberflächen leben, können Biotenside erzeugen, um Nährstoffe aus dem Blatt zu extrahieren. Wir wollen das lediglich umkehren und mithilfe von Rhamnolipiden Nährstoffe in das Blatt hineinbringen“, beschreibt Heck das Grundprinzip bei der Blattdüngung. Auch der stärkende Effekt auf die Pflanzen hat in diesem biochemischen Zwiegespräch seinen Ursprung: „Pflanzen schalten bei Kontakt mit Rhamnolipiden ihren Abwehrmechanismus ein. Daher wirkt die Blattdüngung mit Rhamnolipiden – stark vereinfacht gesagt – wie ein Stärkungsmittel für die Pflanzen.“

Viele der dahinterliegenden Mechanismen sind noch unverstanden, doch kann das Projekt auf umfangreichen Vorarbeiten aufbauen. „Es gibt viele Bakterien, die Rhamnolipide produzieren und entsprechend viele Prozesse und unterschiedliche Moleküle. Wir wissen aus Vorarbeiten mit den Kollegen aus Aachen, welche davon sich für eine Pflanzenstärkung eignen. Genau mit denen werden wir hier im Projekt arbeiten“, erläutert Schleker.

Vom Proof of Concept zum Produkt

Der Plan für die kommenden Monate steht. Das Team der RWTH Aachen produziert zunächst in einem aufwendigen biologischen Verfahren die ausgewählten Rhamnolipide. Bei der HGoTECH werden einheitlich vergleichbare Versuchspflanzen gezogen – Gurken, Soja und Zuckerrüben - und mit verschiedenen Blattdüngern herkömmlicher und neu entwickelter Art behandelt. Die Wirkung dieser Versuchsdünger wird aufgezeichnet und analysiert. An der Universität Bonn werden die Pflanzen schließlich gezielt mit Schaderregern infiziert, um ihre Widerstandsfähigkeit zu testen. Dasselbe geschieht dann noch im Hinblick auf Stressfaktoren wie Hitze, Kälte und Trockenheit.

„Wir wissen, dass Blattdünger funktionieren, und wir wissen, dass Rhamnolipide funktionieren. Jetzt bringen wir die beiden zusammen. Am Ende des Projekts hätte ich gern ein Proof of Concept“, führt Schleker aus. Damit könnte sich das Sonderprogramm Umweltwirtschaft als der entscheidende Anstoß erweisen: „Wenn wir die Wirksamkeit des Prinzips nachgewiesen haben, können wir Partner für eine Produktentwicklung suchen. Wir bereiten auch ein Patent in diesem Zusammenhang vor“, so Schleker. Und Heck ergänzt: „Ein Blattdünger, der auch im Ökolandbau eingesetzt werden kann, mit positivem Effekt zur Pflanzenstärkung und Klimaanpassung. Das wäre ein Ziel!“

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Das von der HGoTECH GmbH aus Bonn koordinierte Verbundprojekt „RhamnoLizer“ wird im Rahmen der Umweltwirtschaftsstrategie des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert. Das Forschungskonsortium arbeitet an einem naturverträglichen Ersatz für EDTA in Blattdüngern, der zugleich den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduzieren könnte. Umweltwirtschaft – Vorsprung für NRW.

Projekt

RhamnoLizer

Kontakt

Dipl.-Ing. agr. Christian Heck
heck(at)avoid-unrequested-mailshgotech.de

Projektkoordination

HGoTECH GmbH

Projektpartner

Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, INRES, Molekulare Phytomedizin
RWTH Aachen University, Institut für Angewandte Mikrobiologie

www.hgotech.de