OceanSafe • Krefeld

Im Interview: Manuel Schweizer, Gründer und CEO

Düsseldorf, 17.11.2022 • Manuel Schweizer, Gründer und CEO der OceanSafe, spricht im Interview über kompostierbare Garne und Reißverschlüsse, die Herausforderung CradletoCradle in der Textilproduktion und das Abenteuer des Normaldenkens.

Welche Produkte und/oder Dienstleistungen mit einem Umweltnutzen bieten Sie an? Was tun Sie für Umweltschutz und Nachhaltigkeit in Ihrem Unternehmen?

Wir bieten Fasern, Garne, Farbstoffe und Zubehör in einem Baukastensystem für die Textilindustrie an. Das umfasst auch Knöpfe, Gleiter für Vorhänge und ähnliches. Alle diese Produkte sind sicher für den biologischen Kreislauf und enthalten keinerlei toxische Substanzen, fast alle sind sogar vollständig biologisch abbaubar. Das ist wichtig bei Textilien, denn schon bei der Wäsche kommen ja Fasern ins Wasser und landen dann zwangsläufig in der Natur und in der Nahrungskette.

Unsere Kunden sind zum Beispiel Hersteller von Heimtextilien oder große Modemarken. Solchen Kunden helfen wir, unkompliziert zu einem kreislauffähigen Produkt zu kommen, wo dann wirklich alles, vom Gewebe über die Etiketten, Reißverschlüsse und Label recycelt werden kann und sicher für den biologischen Kreislauf ist. Die Designer können sich dadurch wieder mehr auf das Design konzentrieren. Außerdem sind unsere Produkte, zum Beispiel die Fasern, schon heute für ein vollständiges chemisches Recycling ausgelegt. Dabei entsteht aus den recycelten Fasern am Ende wieder ein gleichwertiges Produkt. Das wird in der Zukunft Sinn machen, wenn dafür die Strukturen bestehen.

Unser Standpunkt ist: Bei Textilien muss man beides haben: chemisches Recycling plus Sicherheit für den biologischen Kreislauf. Darauf haben wir auch die gesamte Firma und unsere Lieferkette ausgerichtet. Wir arbeiten nur mit Zulieferern, die mindestens 50 % Erneuerbare Energien nutzen und nach Cradle-to-Cradle mit Goldstatus zertifiziert sind.

Was verstehen Sie unter der „ökologischen Transformation“ allgemein und in Bezug auf Ihr Unternehmen?

Für mich ist ökologische Transformation im Grunde immer noch ein Schritt zu wenig. Schauen Sie: Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das Abfälle hinterlässt, die nicht biologisch abgebaut werden können. Ca. acht Milliarden Menschen sagen täglich „Ökologie ist gut, aber ich allein richte nichts aus“ und greifen spätestens unter Zeitdruck oder aus Preisgründen dann doch wieder zum gewohnten Produkt. Ich glaube: Der Mensch wird sich eher wenig und nur sehr langsam verändern. Und somit ist es die Aufgabe der Industrie und der Politik, mit aller Kraft daran zu arbeiten, dass diese Transformation für den Menschen kein großes Umdenken bedeutet.

Anders gesagt: Industrie und Politik müssen sich umstellen, damit der einzelne Mensch es nicht so sehr muss. Alle Produkte müssen am Ende dieselbe Qualität haben, denselben Preis, dieselben Eigenschaften und dabei müssen sie sicher sein für den biologischen Kreislauf. Das wäre meine Vorstellung von der Transformation.

Sie haben Ihr Unternehmen auf ein nachhaltiges Wirtschaften eingestellt. Inwiefern sehen Sie sich als Umdenker?

Ich sehe mit nicht als Umdenker, ganz klar. Für mich war es ein Umdenken, dass uns dazu gebracht hat, als einziges Lebewesen der Natur solchen Abfall zu produzieren. Deshalb müssen wir gar nicht umdenken, sondern eigentlich bloß wieder zum Normaldenken zurückfinden. Und wenn wir normal denken, denken wir nachhaltig, also in die Zukunft und an nachfolgende Generationen und nicht nur an den kurzfristigen Profit. Den braucht es sicher auch, aber er sollte nicht im Mittelpunkt stehen. Ich sehe mich nicht als Umdenker, sondern als Normaldenker und das gilt für uns alle bei OceanSafe.

Wie betrifft die aktuelle Lage an den Energie- und Rohstoffmärkten das Umdenken in Ihrem Unternehmen?

Das betrifft uns stark. Für ein Start-up wie uns ist Skalierung, also der Weg zu größeren Stückzahlen, unheimlich schwierig in dieser Situation. Man weiß eben nicht verlässlich, zu welchem Preis bestimmte Ausgangsprodukte morgen geliefert werden können und ob überhaupt. Bei bestehenden Produkten helfen Erfahrungswerte, die Unwägbarkeiten besser abzuschätzen. Bei unseren Neuentwicklungen ist das schon sehr herausfordernd. Andererseits könnten wir aufgrund unserer nachhaltigen Wirtschaftsweise mittelfristig auch weniger davon betroffen sein als konventionelle Produkte auf dem Textilmarkt und das wird uns helfen.

Lohnt sich wirtschaftlich gesehen das umweltfreundliche Wirtschaften für Ihr Unternehmen? – Oder ist das noch eher ein strategisches Projekt?

Unser Unternehmen wurde im Oktober 2019 gegründet, ist also noch sehr jung. Der erste Rollout unserer Produkte war zwei Monate vor dem Lockdown, das sagt ja eigentlich schon alles. Insofern haben wir Glück, große und langfristig denkende Investoren gefunden zu haben, die an unser Potenzial glauben. Soeben haben wir erfolgreich eine Kapitalerhöhung abgeschlossen.

Wo lagen und liegen die größten Herausforderungen für Ihr Unternehmen bei der Transformation?

Die Textilindustrie ist eine sehr konservative Industrie, die sich über die Jahre kaum verändern musste. Vieles funktioniert im Prinzip noch so wie vor hundert Jahren. Hier war es für uns oft schwierig, mit unseren Ideen durchzudringen. Zug kommt in die Sache durch die großen Modemarken, die langsam die Vorteile von OceanSafe erkennen. Das zieht dann auch die Webereien und Spinnereien und andere Zulieferbetriebe mit. Und wenn die Politik zum Beispiel mit dem EU-Greendeal jetzt Ernst macht, ist das für uns natürlich perfekt. Denn wir erfüllen schon heute die Anforderungen an ein nachhaltiges Wirtschaften.

Eine zweite Herausforderung war es, auf vertretbare Preise zu kommen, die ja oft nur über große Stückzahlen zu realisieren sind und umgekehrt. Das ist ein klassisches Henne-Ei-Problem. Es hat ein bisschen gedauert, den ersten Abnehmer zu finden, der wirklich an großen Stückzahlen interessiert ist. Aber das ist uns gelungen und von hier aus kann es weitergehen.

Seit wann beschäftigen Sie sich mit Fragen des nachhaltigen Wirtschaftens? Gab es für Sie persönlich einen bestimmten Moment des Umdenkens?

Ich bin schon länger in der Textilbranche tätig und dachte lange, ich wäre mit meinen Unternehmungen schon ziemlich nachhaltig. Dabei habe ich so ziemlich alles falsch gemacht: Wir haben den CO2-Ausstoß nicht richtig betrachtet, das Thema Pestizide nicht beachtet, den Wasserkreislauf und mehr. Und dann irgendwann, so vor rund 10 Jahren, wurden die ersten Studien bekannt, die sagten, bald wird es mehr Mikroplastik in den Weltmeeren geben als Fische und ein Drittel davon kommt aus Textilien. Das war für mich der Moment, wo ich dachte, da möchte ich nicht mehr dazugehören. Ich bin damals ausgestiegen, habe ein spätes Studium begonnen und für meine Masterarbeit die Idee von OceanSafe entwickelt. So bin ich von der Ökoromantik zum ökologisch sinnvollen Wirtschaften und zur Kreislaufwirtschaft gekommen. Ich habe dann schnell erkannt, man kann das nicht mit den bestehenden Materialien machen, man muss ganz zurück, wie es die Ameisen machen, und Materialien herstellen, die biologisch abbaubar sind. Man muss sich nur anschauen: Im Jahr 2013 hat man auf der Erde erstmals über 100 Milliarden Kleidungsstücke produziert, größtenteils aus Polyester. Ein Drittel davon wird nie getragen. So geht es nicht weiter.

Welche Standortfaktoren braucht die Green Economy in Ihren Augen? Was kann NRW tun, um Unternehmen den Umbau zu erleichtern und weiterhin führender (Umwelt)Wirtschaftsstandort zu bleiben?

Also ich kann nur für uns sagen, dass wir in Krefeld ein ideales Umfeld angetroffen haben. Anders als in der Schweiz, wo unser Unternehmen seinen Ursprung hat, ist hier noch viel Know-how aus der ursprünglichen Textilindustrie vorhanden und es gibt tolle Ausbildungs- und Studiengänge zum Beispiel an der Hochschule Niederrhein oder der RWTH zur Textiltechnik, die uns helfen, gut ausgebildete Fachkräfte zu finden. Als nachhaltiges Unternehmen wurden wir in NRW auch mit Fördergeldern unterstützt und zum Beispiel für den Umweltwirtschaftspreis nominiert.

Was uns noch fehlt, ist eine skalierbare End-of-Life-Lösung. Unsere Kunstfasern kompostieren teilweise schneller als Gartenabfälle. Trotzdem darf man sie nicht in eine industrielle Kompostierung geben, denn dazu fehlen noch die gesetzlichen Grundlagen. Dass es hiermit voran geht, würde ich mir wünschen, das könnte eine positive Ausstrahlung für ganz Europa haben.

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Das Interview wurde geführt anlässlich der Umweltwirtschaftstage NRW.

OceanSafe

OceanSafe ist ein textiles Technologieunternehmen für kreislauffähige, biologisch abbaubare und Toxin-freie Textilien. Das Unternehmen richtet sich mit seinem Baukastensystem kreislauffähiger Produkte – Fasern, Garne, Stoffe und Besätze – an Produktentwickler und will damit zu einem Qualitätssiegel im Bereich der nachhaltigen Textilindustrie werden.

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