27. Januar 2016 in Alsdorf

Standortforum Umweltwirtschaft in der Region Aachen

Die Region Aachen ist bekannt für große Innovationskraft als Zentrum für Forschung und Entwicklung. Mit Blick auf die Umweltwirtschaft diskutierten rund 80 Vertreterinnen und Vertreter der ansässigen Wirtschaft und Forschungslandschaft beim Standortforum die Stärken und Perspektiven der Region. Eingeladen hatte der Region Aachen Zweckverband gemeinsam mit der AGIT, der Industrie- und Handelskammer, den regionalen Wirtschaftsförderungen und dem Landesumweltministerium. 

Die Umweltwirtschaft in der Region Aachen beschäftigt heute rund 20.000 Erwerbstätige und ist vor allem bei Materialien, Materialeffizienz und in der Ressourcenwirtschaft sowie bei Energieeffizienz und Energieeinsparung spezialisiert und erfolgreich. Der Standort verfügt über besondere Kompetenzen in der Forschung und ist hochinnovativ, etwa in den Bereichen Elektromobilität oder neue Werkstoffe. Damit ist die Region Aachen auch ein Beispiel für die zentrale Rolle einer starken Umweltwirtschaft für Nordrhein-Westfalen.

Rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Region waren erschienen, um darüber zu sprechen, wie sich diese Rolle in Zukunft entwickeln kann. Welche neuen Perspektiven ergeben sich in der Umweltwirtschaft für die Region Aachen und ihre Unternehmen? Wie können Wirtschaft, Wissenschaft und Politik an einem Strang ziehen, um die Umweltwirtschaft in der Region weiter zu etablieren?

Prodiumsgespräch

Impulse dazu lieferte ein Podiumsgespräch. Das Thema: Exzellenz und Vielfalt – wie die Umweltwirtschaft die Region Aachen stärken kann. Strategien, Maßnahmen, Finanzen. 

 
Alexandra Landsberg, Stellvertretende Leiterin der Abteilung Klima, Zukunftsenergien, Umweltwirtschaft im Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW

"Die Region Aachen ist herausragend in den Bereichen Energieeffiziente Produktionsprozesse und Anlagentechnik spezialisiert. Sie leistet einen wichtigen Beitrag, um Innovationen mit Vorbildcharakter zu etablieren. Sie entwickelt Leitmärkte, in denen Unternehmen mit zukunftsfähigen Produkten erfolgreich sind und mit Umweltstandards nationale als auch internationale Wettbewerbsvorteile generieren." 

Prof. Dr. Isabel Kuperjans, Lehrgebiet Energietechnik und Wärmeübertragung an der Fachhochschule Aachen und Geschäftsführende Direktorin des Instituts NOWUM-Energy

"Die Region Aachen besticht mit ihren zwei technischen Hochschulen und vielen innovativen KMU. Allerdings kommt die Umsetzung von Energieeffizienz-Maßnahmen in vielen Unternehmen nur schleppend voran, dabei sind die Lösungen und Techniken seit mindestens 20 Jahren bekannt. Hier fehlt Vernetzung, damit alle merken, wie einfach es gehen würde und welche Vorteile es bringt."

Dina Köpke, Director Governmental Affairs bei Emerson Climate Technologies GmbH, Aachen

"Wir müssen Lösungen für das Investor-Nutzer Dilemma finden. Es ist oft problematisch, wenn der Investor nicht der Nutzer und der Nutzer nicht bereit ist, ausreichend zum Invest beizutragen."

Klaus Dosch, wissenschaftlicher Leiter der Aachener Stiftung Kathy Beys

"Die Region Aachen verfügt über ein enormes Potenzial durch die Hochschulen und das Forschungszentrum in Jülich. Dennoch erlebe ich nicht alle Kommunen als Motoren des Fortschritts, da ginge sicher mehr."

Diskussion in drei Themeninseln

Im Mittelpunkt standen insbesondere drei Teilmärkte: „Umweltfreundliche Mobilität“, „Materialien, Materialeffizienz und Ressourcenwirtschaft“ sowie „Energieeffizienz und Energieeinsparung“. Diskutiert wurden innovative Handlungsfelder, aber auch regulatorische Hemmnisse. Vor dem Hintergrund des Umweltwirtschaftsberichts wurden relevante Handlungsansätze für die Region vorgestellt. Die Ergebnisse und Anregungen der Veranstaltung sind in den Masterplan für die Umweltwirtschaft in Nordrhein-Westfalen eingeflossen.

Der Masterplan entstand in einem landesweiten Konsultationsprozess, der alle Bereiche der Umweltwirtschaft umfasste. Unternehmen, Verbände, Wirtschaftsförderung und die Regionen waren aufgerufen, mit Ideen und Impulsen zur Weiterentwicklung der Umweltwirtschaft in NRW beizutragen. Dazu wurde landesweit eine Reihe von Standort- und Wirtschaftsforen durchgeführt.

Themeninsel Umweltfreundliche Mobilität

 
Disziplinen zusammenbringen, Grenzübergreifend agieren

Die Region Aachen zeichnet sich vor allem durch ihre lebendige Hochschullandschaft (RWTH und FH Aachen) aus. Dennoch, so wurde von den Teilnehmenden festgehalten, würden die Innovationen aus der Wissenschaft nur sehr vereinzelt den Weg in die Unternehmen der Region Aachen finden. Deswegen sollten die Bemühungen intensiviert werden, Hochschulen und Unternehmen, miteinander in Kontakt zu bringen. Den gegenseitigen Austausch zu fördern, würde sich für beiden Seiten auszahlen. Als gutes Beispiel für die Unternehmensgründung aus der Hochschule wurde das Unternehmen Street Scooter genannt. Die Aktivitäten in der Region Aachen zum Thema Elektromobilität werden auf die Übersichtsseite: www.emobil-aachen.de zusammengefasst.

Grundsätzlich sei der Austausch der Disziplinen, Kommunen und Regionen noch ausbaufähig. Runde Tische könnten etabliert werden, um gegenseitig von den jeweiligen Erfahrungen des Anderen zu profitieren. Dabei sollte auch über die Landesgrenze geschaut werden. Gute Beispiele aus Belgien und den Niederlanden könnten als Vorbild für die Region Aachen dienen. Die EUREGIO biete darüber hinaus die Chance, den Absatzmarkt zu erweitern.

Rahmenbedingungen verbessern

Die Teilnehmenden diskutierten über Ansätze, um bessere Rahmenbedingungen für die umweltfreundliche Mobilität zu schaffen. Die Nutzung von Carsharing, ÖPVN und Fahrrädern hänge vom individuellen Kosten-Nutzen-Denken ab. Der Bürger würde dann aktiv, wenn es sich für ihn persönlich lohne. Für die Transformation der Gesellschaft hin zu mehr umweltfreundlicher Mobilität müssten auf überregionaler, politischer Ebene die Weichen gestellt werden. Diskutiert wurde dabei über finanzielle Anreize. Auch auf regionaler Ebene müssten sich die Voraussetzungen verbessern. Konkrete Beispiele waren der Ausbau des Fahrradwegenetzes, ein Ausbau des Schienennetzes in der Region oder Überlegungen zur Autofreien Innenstadt. Hierauf könnten die Kommunen noch mehr fokussieren. So könnten bereits in der Planungsphase beim Städtebau die Rahmenbedingungen für innovative, umweltfreundliche Mobilität geschaffen werden.

Die Bevölkerung mitnehmen

Neben den politischen Rahmenbedingungen sollten Branchen, die Region und die Politik vermehrt Überzeugungsarbeit leisten. Die Diskutanten beschäftigte die Frage, wie neue Technologien in der Bevölkerung auf Akzeptanz stoßen. Viele Innovationen gingen bereits heute aus den Hochschulen der Region hervor. Was fehle, sei ein gesellschaftliches Umfeld, das die Innovationen mit Interesse aufnehme. Neue Modelle aus den Bereichen der Elektromobilität oder Car Sharing müssten den Menschen näher gebracht werden, um langfristig erfolgreich zu sein. Gefordert wurden hier gebündelte Marketing- und Kommunikationsbemühungen. Die Menschen müssten auf dem Weg hin zu einer umweltfreundlicheren Mobilität mitgenommen werden. Dabei sollte auch die gesellschaftswissenschaftliche Forschung mit einbezogen werden.  

Themeninsel Materialien, Materialeffizienz und Ressourcenwirtschaft

Rohstoff Abfall

Die Wiederverwendbarkeit von Abfällen wurde von den Teilnehmenden rege diskutiert. Abfälle würden noch zu oft nur als „Müll“ gesehen, von juristischer wie wirtschaftlicher Seite. Sie sollten vielmehr als wertvolle Rohstoffe gehandelt und dadurch der regionale, sekundäre Rohstoffmarkt ausgebaut werden. Durch den Ausbau könnten Rohstoffzufuhren aus dem Ausland wegfallen. Dadurch würden Handelswege verkürzt und die Qualitätssicherung könne gesteigert bzw. garantiert werden. In diesem Zusammenhang wurde auch noch einmal an die Vorteile des Rohstoffs Holz erinnert.

Des Weiteren wurde der Ausbau der Unterstützung von innovativem und nachhaltigem Produktdesign und Entwicklungen gefordert. Durch bessere Anschubfinanzierungen und deutlichere Kommunikation bezüglich der Förderkriterien sollen innovative Produkte in der Region Aachen entwickelt und produziert werden.

Startups unterstützen

Die Zusammenarbeit von Startups und Behörden wurde ausführlich diskutiert und von vielen Diskutanten als Problem identifiziert. Staatliche Einrichtungen seien oft nicht auf dem aktuellen Stand der Forschung und agierten dadurch eher innovationshemmend statt -fördernd. Die Teilnehmenden forderten, gesetzliche Barrieren abzubauen und Innovationen besser zu fördern. Um das zu erreichen, sollten Behörden besser an Innovations- und Forschungsprozessen beteiligt werden. Darüber hinaus wurde vorgeschlagen, eine regionale Anschubfinanzierung für Hochschulen vor Ort zu installieren, damit die Startup-Landschaft in der Region Aachen besser ausgebaut werden könne.

Das Handwerk mitnehmen

Von den Teilnehmenden wurde angeregt, einen aktiveren Austausch zwischen den Hochschulen, der Wirtschaft und dem Handwerk anzustoßen. Die Innovationen und Ideen, die an den Universitäten und Fachhochschulen der Region Aachen entwickelt werden, müssten intensiver mit dem Handwerk diskutiert werden. Die Handwerker müssten vom Nutzen überzeugt werden. Denn am Ende seien sie es, die die neuen Entwicklungen bei den Menschen vor Ort verkaufen und die Geräte installieren würden. 

Themeninsel Energieeffizienz und Energieeinsparung

Ganzheitliches Denken und Handeln

In vielen Bereichen müsse man sich noch mehr von der Betrachtung von Einzelkomponenten lösen und verstärkt den Lebenszyklus der Systeme über die Nutzungsphase hinaus betrachten.
Großes Potenzial wird in der Weiterentwicklung der Nutzung von Abfallenergien, z.B. in Form von Wärmerückgewinnung und größeren bzw. effizienteren Wärmespeichermedien gesehen. Hervorzuheben seien hier innovative Siedlungen („QuartierPower“ / Mustersiedlungen), um eine effizientere Verknüpfung zwischen Wärmequellen und Wärmeverbräuchen zu schaffen.

Ein weiterer Punkt stellt die Affinität der Endverbraucher für Smart-Housing dar. Diese seien insbesondere im Wohnungsbau gut zu nutzen, um den Pro-Kopf-Verbrauch beim Endnutzer sichtbarer zu machen und dadurch zu sensibilisieren.

Staatliche Finanzierung

Die Möglichkeit einer offenen Förderung wurde diskutiert, um das vorhandene Potenzial einfacher und niedrigschwelliger zu nutzen. Besonders wichtig erschien den Akteuren der Region Aachen außerdem grenzüberschreitende Förderungsmöglichkeiten. Diese müssten strukturell implementiert und nicht nur als Pilotprojekt belassen werden.

Kritisiert wurden die lange Bearbeitungszeit von Förderanträgen, der verwaltungstechnische Aufwand und die Restriktionen von Förderungen. Unternehmen würden daher oftmals vor der Beteiligung an Fördermaßnahmen zurückschrecken und Förderungsmaßnahmen nicht im vollem Umfang nutzen.
Es wurde vorgeschlagen, eine regionale „Entwicklungsbank“ zu implementieren, die Risikokapital für kleine Unternehmen bereitstellt. Besonders in der Region Aachen gäbe es genügend Startups, die bei der Entwicklung zu einem mittelständigen Unternehmen oftmals die Unterstützung von Risikokapital benötigen. Wichtig für diesen Aspekt wäre außerdem, dass auch Banken für den Bereich Energieeffizienz geschult und sensibilisiert werden.

Es wurde angeregt, Monitoringinstrumente zu entwickeln, um die Wirkungsweise der geförderten Projekte zu prüfen. Ggf. könne man bei Projekten mit einer positiven Bilanz noch weitere Fördergelder bereitstellen, um diese noch weiter zu festigen.

Die starken Regulierungen des Teilmarktes werden als sehr problematisch angesehen. Die Bundesvorschriften und technische Vorgaben werden als zu detailliert wahrgenommen.

Beratung und Schulung

Es wurde angeregt, dass die Beratung und Schulung im Bereich Ressourcen- und Energieeffizienz vorangetrieben werden müsste. Insbesondere eine handwerksgerechte Transferförderung (Stichwort: Innovationsgutschein Handwerk NRW) und eine engere Vernetzung der Hochschulen und dem Handwerk bzw. der Meisterausbildung wurde betont.

Die Schulung und Sensibilisierung von politischen Entscheidern stellt einen wichtigen Punkt dar. Auch hier ist auf die Dringlichkeit einer festen Implementierung von z.B. Energieberatern in Kommunen hingewiesen worden, um eine nachhaltige Veränderung zu erzielen.

Weiterbildungen wurden auch für den Unternehmensbereich angeregt. Besonders die Unternehmensleitungen müssten geschulter sein, um so die angesprochene Gesamtbetrachtung von Systemen auch in Unternehmen zu implementieren.

Für den Bereich der Netzwerkarbeit wurde der Vorschlag gemacht, längerfristige Perspektiven für Netzwerker möglich zu machen, um so bestehende Netzwerke auch über Projektphasen hinaus zu festigen.