Die außerordentlichen Leistungen des Stadtgrüns in NRW

Die Umweltwirtschaft in NRW unterstützt die im Teilmarkt Minderungs- und Schutztechnologien verorteten Klimaanpassungsleistungen u.a. durch die Bereitstellung und Pflege von urbanen Grünanlagen, Straßengrün sowie durch Dach- und Fassadenbegrünungen.

Stadtgrün hat für die Stadtbevölkerung positive Umweltwirkungen, die über den wichtigen Faktor als Freizeitflächen und Orte der Erholung hinausgehen: Naturbasierte Maßnahmen zum Erhalt und Ausbau des Stadtgrüns leisten bereits heute einen wichtigen Beitrag zur urbanen Klimaanpassung.* Vor dem Hintergrund des Klimawandels und zunehmender Extremwetterereignisse, wie z. B. Hitzeperioden und Starkregenereignisse, wächst daher die Bedeutung des urbanen Grüns. Hinzu kommen weitere positive ökologische Effekte bezogen auf die Luftreinhaltung, den Klimaschutz und das Grundwasser.
Mithilfe eines vom IÖW entwickelten Online-Tools** lässt sich der ökologische Mehrwert der Ökosystemleistungen der Stadtgrünelemente Grünflächen, Straßenbäume, begrünte Rad- und Fußwege und Dachbegrünung*** abschätzen. Die im Tool abgebildeten Ökosystemleistungen umfassen die Klimaschutzleistung durch die CO₂-Bindung der Biomasse des Stadtgrüns, die Luftreinhaltung durch die Filtration von Luftschadstoffen, die Abkühlung des Mikroklimas durch Verdunstungsprozesse der Pflanzen und den Schattenwurf der Bäume, die Wasserrückhalteleistung der unversiegelten Böden und die ästhetische Wirkung auf das Stadtbild.

Mit dem Tool lassen sich für 23 deutsche Städte in der Größenordnung ab 300.000 Einwohnerinnen und Einwohner verschiedene Szenarien berechnen, wie sich die Bereitstellung der Ökosystemleistungen ändert, wenn sich die Ausstattung der Stadtgrünelemente im Vergleich zum aktuellen Status erhöht. Die Abbildung stellt ein beispielhaftes Szenario für Düsseldorf dar.

Zur Bestimmung der Änderungen der Ökosystemleistungen werden unterschiedliche Funktionen verwendet, die auf Literaturwerten  z. B. Oberflächenabflusswerten und CO₂-Bindungswerten unterschiedlicher Pflanzentypen) oder auf Modellierungen (z. B. stadtklimatischen Modellierungen) basieren. Die umweltökonomische Bewertung der Änderung der Ökosystemleistungen basiert wiederum auf unterschiedlichen Methoden und Kostenwerten. Für die Bewertung der CO₂-Speicherleistung und Luftschadstofffiltration wurden die Schadenskosten der Methodenkonvention des Umweltbundesamts verwendet, die die Schäden dieser Emissionen an Gesundheit, Infrastruktur und Biodiversität abbilden. Die Abkühlung des urbanen Mikroklimas wirkt sich u. a. positiv auf die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der Stadtbevölkerung aus, was sich über eingesparte Gesundheitskosten und vermiedene Produktivitätsverluste ökonomisch bewerten lässt. Der ökonomische Wert der Wasserrückhalteleistung ergibt sich aus dem Volumen des Regenwassers, das auf den Grünflächen und den Dachbegrünungen zurückgehalten wird, und den Kosten, die für den Ausbau der Wasserinfrastruktur anfallen würden, um das durch die Grünflächen zurückgehaltene Wasservolumen aufzufangen. Die Veränderung des Stadtbilds durch Stadtgrünelemente wird über Zahlungsbereitschaften bewertet. Diese Zahlungsbereitschaften wurden im Rahmen einer repräsentativen Befragungsstudie mit 8.000 Befragten über ein sogenanntes Choice-Experiment erhoben.**** Die Zahlungsbereitschaften geben dabei die monetäre Wertschätzung für die Stadtgrünelemente und ihre Wirkungen auf das Stadtbild, die urbane Biodiversität und die Lebenszufriedenheit wieder.***** Das Tool wurde zur umweltökonomischen Bewertung der Ökosystemleistungen des aktuell vorhandenen Stadtgrüns der zehn einwohnerstärksten Städte in NRW – Bielefeld, Bochum, Bonn, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Köln, Münster und Wuppertal mit jeweils ≥ 300.000 Einwohnerinnen und Einwohnern – herangezogen. Dazu kann anhand des Tools für jede der Städte ein kontrafaktisches Extremszenario ohne Stadtgrün simuliert werden. Das heißt, im Tool wird die Ausstattung der unterschiedlichen Stadtgrünelemente auf 0% gesetzt. Die durch das Szenario berechneten Ergebniswerte werden im Tool für dieses kontrafaktische Szenario als Schäden, also mit einem negativen Vorzeichen, dargestellt. Sie können allerdings umgekehrt auch als der Nutzen der aktuellen Ausstattung der Stadtgrünelemente betrachtet werden.

Für die zehn einwohnerstärksten Städte in NRW ergeben sich auf Basis der derzeit bereits umgesetzten Begrünungselemente folgende Ergebnisse (kumulierte Werte):

Die Ergebnisse zeigen, dass der auf dieser Basis abschätzbare Gesamtwert der bewerteten Ökosystemleistungen des Stadtgrüns allein für die zehn einwohnerstärksten nordrhein-westfälischen Städte bei über 2 Mrd. Euro liegt. Die ermittelten Werte stellen die außerordentliche Bedeutung des aktuellen Stadtgrünbestands heraus. Gleichzeitig unterstreicht die Auswertung den großen Nutzen, den der Ausbau des Stadtgrüns in den Städten mit sich bringt – und wie wichtig die Unternehmen der Umweltwirtschaft sind, die zu der Bereitstellung und Pflege der Stadtgrünelemente und somit auch zur Klimaanpassung beitragen. Dabei muss betont werden, dass das eingesetzte Tool nur eine Auswahl der Ökosystemleistungen der Stadtgrünelemente abbildet und die Berechnungen mit methodischen Unsicherheiten und Annahmen einhergehen. Das heißt, die Ergebnisse der Auswertung markieren nur die untere Grenze des tatsächlichen Werts der Stadtgrünelemente.

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* Kabisch, N. et al. (2016): Nature-based solutions to climate change mitigation and adaptation in urban areas (BfN-Skripten 446) (30.6.2024).

** Das Tool zur Bewertung ausgewählter Ökosystemleistungen des Stadtgrüns der größten Städte Deutschlands wurde in einem vom BMBF geförderten Forschungsprojekt entwickelt. In seiner ersten Version ist das Tool öffentlich zugänglich und unter folgendem Link abrufbar. Mittlerweile befindet sich das Forschungsprojekt in der 3. Phase, in der sowohl die Bewertung auf sämtliche deutschen Städte mit mehr als 50.000 Einwohnerinnen und Einwohner ausgeweitet als auch die umweltökonomische Bewertung der Ökosystemleistungen des Stadtgrüns nachgeschärft wird.

*** Im Tool wird auch die naturnahe Pflege der Grünflächen betrachtet. Die naturnahe Pflege beschreibt den Anteil der extensiv bewirtschafteten Grünflächen, die die urbane Biodiversität fördern, da sie als Lebensraum für Insekten dienen und Blütenbestäuber anlocken. Die freizeitliche Nutzung dieser Flächen ist daher oftmals eingeschränkt oder untersagt. Die umweltökonomische Bewertung der naturnah gepflegten Grünflächen im Tool beschränkt sich ausschließlich auf die (ästhetische) Wirkung auf das Stadtbild. Das heißt, zur umweltökonomischen Bewertung wird die monetäre Wertschätzung bzw. die Zahlungsbereitschaft der Stadtbevölkerung für den Anteil der naturnah bewirtschafteten Grünflächen bestimmt.

**** Choice-Experimente sind in der Umweltökonomie eine verbreitete Methode, um den Wert von Umweltgütern zu bestimmen. In einem Choice-Experiment müssen Befragte wiederholt zwischen unterschiedlichen Szenarien entscheiden, die sich in vorab definierten Eigenschaften unterscheiden. Für das durchgeführte Choice-Experiment unterschieden sich die Szenarien mit Blick auf die Anzahl der Straßenbäume pro 100 m, im relativen Anteil der begrünten Wege, im relativen Anteil der Grünflächen, im Anteil der naturnah bewirtschafteten Grünflächen sowie hinsichtlich des zu zahlenden Beitrags, welcher anfallen würde, um das Szenario zu realisieren. Jede Auswahlsituation bestand aus zwei Szenarien und dem Status quo. Der Status quo beschreibt die aktuelle Ausstattung der Stadtgrünelemente, für die keine zusätzlichen finanziellen Beiträge anfallen würden. Insgesamt wurden jeder befragten Person 8 Choice-Situationen vorgestellt. Über die statistische Auswertung dieser Entscheidungen ließen sich anschließend die Zahlungsbereitschaften für marginale Änderungen der einzelnen Stadtgrünelemente berechnen.

*****  Weitere Informationen zur Berechnung der Ökosystemleistungen und deren monetären Werte finden sich auf der Website des Stadtgrün-Tools, siehe www.stadtgruen-wertschaetzen.de/app/stadtgruenapp. Darüber hinaus finden sich auch weitere Informationen in Hirschfeld, J. et al. (2019): Stadtgrün wert schätzen! Städte können vom Ausbau der Grünflächen ökologisch, ökonomisch und sozial profitieren. GAIA – Ecological Perspectives for Science and Society.