Exkurs: Die umweltökonomische Bewertung der Wiedervernässung von Mooren

Moore sind wichtige Ökosysteme, die eine Vielzahl von Ökosystemleistungen bereitstellen. Moore binden durch die Bildung von Torf atmosphärisches CO₂ und werden daher oftmals als die wichtigsten natürlichen „Klimaschützer“ betrachtet, indem sie als Senke für Treibhausgasemissionen wirken. Moore sind zudem wichtig für die Klimaanpassung: Der Klimawandel führt zu einer Zunahme von Extremwetterereignissen. Aufgrund ihrer besonderen Wasseraufnahmefähigkeit können Moorböden den Abfluss von Niederschlägen verlangsamen. Das kann beispielsweise bei Starkregen- und Hochwasserereignissen dazu beitragen, dass große Wassermengen zurückgehalten und dadurch Schäden in anliegenden Städten oder Dörfern verringert oder vermieden werden. Darüber hinaus können Moore auch einen Beitrag zum Gewässerschutz leisten. Moorböden können Nährstoffe zurückhalten, die andernfalls in umliegenden Gewässern zu einer Eutrophierung führen könnten. Eine Eutrophierung hat wiederum weitreichende Folgen sowohl für die aquatische Biodiversität als auch für die freizeitliche Nutzung der Gewässer. Moore dienen außerdem dem Erhalt der Biodiversität, da sie extreme und einzigartige Ökosysteme sind und dadurch wichtige Lebensräume für seltene und hochspezialisierte Arten bieten. Diese Ökosystemleistungen können Moore jedoch nur bereitstellen, wenn sie nicht trockengelegt sind.

In der Vergangenheit wurden nasse Moore allerdings in erster Linie als Hindernis für die landwirtschaftliche Nutzung der Flächen betrachtet. Mehr als 90% der Moore in Deutschland sind daher heutzutage entwässert.* Das Problem dabei: Trockene Moore verlieren nicht nur ihren Status als Kohlenstoffsenke, sie werden dann sogar zur Quelle für Treibhausgasemissionen. Der in den Moorböden gebundene Kohlenstoff liegt durch die Trockenlegung offen und reagiert mit dem Sauerstoff aus der Atmosphäre. Dadurch gelangen insbesondere CO₂ und N₂O (Lachgas) in die Atmosphäre und tragen zum Klimawandel bei. Aktuell (2020) emittieren entwässerte Moore pro Jahr ungefähr 53 Mio. t CO₂-Äquivalente und damit rund 7% der jährlichen Treibhausgasemissionen in Deutschland.** Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die Wiedervernässung von Mooren auf allen Ebenen an Relevanz gewonnen hat. So sind Maßnahmen zur Wiedervernässung fester Bestandteil des bundesweiten Förderprogramms „Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK)“, bei dem der natürliche Klimaschutz, also die Verbindung des Schutzes der Natur und des Klimas, im Fokus steht.

Aktivitäten der Umweltwirtschaft spielen hierbei eine wichtige Rolle, beispielsweise bei der klimaorientierten Landschaftsplanung. Darüber hinaus können innovative Bewirtschaftungsformen wie z. B. Paludikulturen eine neue wirtschaftliche Perspektive für die Nutzung wiedervernässter Moorflächen bieten. Diese neuen Formen der Moorbewirtschaftung verlangen außerdem die Entwicklung neuer Technologien und Geräte. Auch hier kann die Umweltwirtschaft einen Beitrag leisten.

Bei den Diskussionen rund um die Wiedervernässung stehen allerdings die Kosten der Maßnahmen oder die Opportunitätskosten durch Nutzungsverzichte*** oftmals stärker im Vordergrund als der volkswirtschaftliche Nutzen. Hier kann die umweltökonomische Bewertung der Ökosystemleistungen nasser Moore helfen, was hier anhand einer beispielhaften Modellrechnung auf Grundlage von Literaturwerten verdeutlicht werden soll: Die Planungs- und Baukosten für die Wiedervernässung von Mooren werden in der Literatur mit einer großen Spannweite von 1.065 bis 17.555 Euro pro Hektar angegeben.**** Bei bisher landwirtschaftlich genutzten Flächen sind zudem die Opportunitätskosten zu berücksichtigen, die mit einer teilweisen oder vollständigen Nutzungsaufgabe einhergehen können.***** Je nach Nutzung und Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Fläche können die Opportunitätskosten variieren. Es werden hier Opportunitätskosten von ungefähr 1.000 Euro pro Hektar p. a. pauschal angenommen, was bei einem Zeithorizont von 30 Jahren und einer Abzinsung von 3% einem Gegenwartswert von circa 19.600 Euro pro Hektar entspricht.****** Damit ergibt sich eine Kostenspanne von circa 20.665 bis 37.155 Euro pro Hektar, im Mittel 28.910 Euro pro Hektar. Geht man davon aus, dass bei einer Wiedervernässung eines Moores zwischen 5 und 25 t CO₂-Äquivalente pro Hektar p.a. eingespart werden können,******* ergibt sich unter Verwendung der Schadenskosten für CO₂-Äquivalente der Methodenkonvention des Umweltbundesamtes ein gesellschaftliches Nutzenpotenzial von circa 1.000 bis 5.000 Euro pro Hektar p.a. Unter den getroffenen Annahmen zum Zeithorizont und der Abzinsungsrate würde der Wert der Klimaschutzleistung ungefähr zwischen 19.600 bis 98.000 Euro pro Hektar liegen. Der Mittelwert des Nutzens läge demnach bei ca. 58.900 Euro pro Hektar – und damit bei ungefähr dem Doppelten der Kosten. Die hier monetarisierte Klimaschutzleistung ist dabei nur eine der oben beschriebenen Umweltwirkungen, die aus der Wiedervernässung der Moore resultieren. Im Rahmen einer konkreten Fallbeispielanalyse ließen sich die weiteren Wirkungen auf Nährstoff- und Wasserhaushalt sowie auf die Biodiversität quantifizieren und monetarisieren. Dies würde den Nettonutzen der Wiedervernässung nochmals deutlich erhöhen. Diese beispielhafte Gegenüberstellung der Kosten und Nutzen zeigt, dass Investitionen in die Wiedervernässung gesamtgesellschaftlich und insbesondere für zukünftige Generationen eine hohe Rendite versprechen.

Mehr als 90% der Moorflächen in NRW sind trockengelegt, davon können mehr als 23.000 Hektar theoretisch wiedervernässt werden.******** Vor diesem Hintergrund besteht auch in NRW der politische Wille, wieder mehr Moore in ihren ursprünglichen Zustand zu bringen. Aktuell werden beispielsweise das Hündfelder Moor (Kreis Borken), das Oppenweher Moor (Kreis Minden-Lübbecke) und Moore im Naturraum der Bergischen Heideterrasse wiederhergestellt und wiedervernässt.

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* Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) (2024): Moore (16.7.2024).

** Ebd. Wert aus DEHSt (2024): Moore (16.7.2024).

*** Das sind die Kosten aus den verlorenen landwirtschaftlichen Erträgen, die durch die Wiedervernässung entstehen würden, da die landwirtschaftliche Nutzung von nassen Moorböden nur eingeschränkt bis nicht möglich ist.

**** Schäfer, A. et al. (2022). Anreize für Paludikultur zur Umsetzung der Klimaschutzziele 2030 und 2050 (CLIMATE CHANGE 44/2022; S. 1–139). Umweltbundesamt. (30.6.2024).

***** Wiedervernässte Moorflächen können zum Teil weiterhin in Form von Paludikultur oder Weidefläche genutzt werden.

****** Wissenschaftlicher Beirat Agrarpolitik (2016): Klimaschutz in der Land- und Forstwirtschaft sowie den nachgelagerten Bereichen
(16.7.2024).

******* Ab einer Anhebung des mittleren Wasserstands bis auf über –30 cm können signifikante Verringerungen der Emissionen festgestellt werden.
Bei einer Anhebung bis auf über –20 cm kann die Wiedervernässung der Moore zu einer Aufnahme bzw. Speicherung von CO₂-Äquivalenten führen. Siehe hierzu Couwenberg, J., Augustin, J. et al. (2008): Entwicklung von Grundsätzen für eine Bewertung von Niedermooren hinsichtlich ihrer Klimarelevanz (16.7.2024).

******** Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) (2024): Naturschutz-Fachkonzept zur Wiederherstellung von Mooren in Nordrhein-Westfalen (16.7.2024).