Schwalbe/Ralf Bohle GmbH

Mobil auf recycelten Reifen

Düsseldorf/Reichshof, 20.10.2023 • Seit fünf Jahrzehnten liefert Schwalbe hochwertige Reifen und Schläuche für Fahrräder. Der Familienbetrieb sieht sich als Treiber der Mobilitätswende. Als erster Fahrradreifenhersteller weltweit bietet Schwalbe ein System zur Rücknahme und Recycling alter Reifen und Schläuche an.

Pffffff – wer Fahrrad fährt, kennt die Reifenpanne. Wer schon länger fährt, erinnert sich auch, dass platte Reifen früher noch viel häufiger vorkamen als heute. Es hat sich etwas verändert, seit die Ralf Bohle GmbH aus dem Oberbergischen Kreis unter dem Markennahmen „Schwalbe“ den ersten Fahrradreifen mit integriertem Pannenschutz anbot. „Wir haben 1983 unseren ersten Meilensteinreifen auf den Markt gebracht. Das war der erste Marathon, den man noch heute im Stadtbild sehen kann. Die Grundidee ist damals wie heute dieselbe: absolute Langlebigkeit“, sagt Felix Jahn, Urenkel des Firmengründers und Leiter der CSR-Abteilung. „Vorher waren Schläuche und Reifen absolute Billigprodukte, die schnell verbraucht und weggeworfen wurden. Wir wollten das ändern und wenn man so will, war schon das ein erster Schritt in Richtung Nachhaltigkeit.“

Der lange Weg der Reifen und Schläuche

Auch das beste Gummi ist irgendwann abgefahren, deshalb experimentierte man in Reichshof schon bald mit Ideen zu seiner Wiederverwertung. Ein echter Durchbruch erfolgte im Jahr 2015: Schwalbe stellte das weltweit erste Recycling für Fahrradschläuche vor, 2022 folgte das Angebot auch für Reifen. Hinter beiden Verfahren steht eine lange Entwicklungszeit, in der nicht zuletzt die Logistik eine entscheidende Rolle einnimmt. Ausgangspunkt war eine Idee, die seit einigen Jahren in den Köpfen zahlreicher Produktentwickler eine Weltkarriere erlebt: Cradle-to-Cradle („von Wiege zur Wiege“). Das Konzept, das Anfang der 2000er-Jahre von dem deutschen Verfahrenstechniker und Chemiker Michael Braungart und dem amerikanischen Architekten William McDonough entwickelt wurde, hat geschlossene Produktkreisläufe zum Ziel. Ein Recycling also, das kontinuierlich fortgeführt werden kann, um wertvolle Rohstoffe auf Dauer zu erhalten.

„Professor Braungart und mein Onkel, unser Geschäftsführer Frank Bohle, haben sich intensiv damit auseinandergesetzt und lange gebrainstormt, wie man ein geschlossenes Kreislaufwirtschaftssystem bei Fahrradschläuchen und -reifen umsetzen kann“, sagt Jahn. Wie sich zeigte, war dies bei Fahrradschläuchen deutlich einfacher als bei den Reifen. Der Grund dafür sind die eingesetzten Materialien. Während jeder Reifen sich aus einer individuellen Mischung verschiedener Gummirezepturen und mehreren Funktionsschichten zusammensetzt, besteht ein Schlauch bloß aus zwei Materialien: Butylkautschuk und Metall, dort wo das Ventil angebracht wird. Die entscheidende Idee beim Schlauchrecycling war deshalb vielleicht gar nicht so sehr der chemische Prozess, die Devulkanisation. Dabei wird der Butylkautschuk in seine Ursprungsstoffe zerlegt, um daraus neue, gleichwertige Schläuche herzustellen. Das eigentliche Geheimnis des Schlauchrecyclings ist das dichte Netz der Fachhändler, die an diesem System teilhaben und es in gewisser Weise mitbetreiben. „Die meisten alten Schläuche findet man in der Werkstatt. Jede Fachhändlerin und jeder Fachhändler kann sie einfach in einem Karton sammeln und auf Kosten von Schwalbe zum Recycling einsenden. Unabhängig davon, wer den Schlauch hergestellt hat. Das geht so einfach wie eine Online-Retoure“, beschreibt Jahn. Eine komplexe Prozesskette bei Schwalbe sorgt dafür, dass das Recycling so einfach genutzt werden kann. Das Angebot besteht bisher in fünf Ländern und soll schrittweise erweitert werden. „Die Logistik, die dahintersteckt, ist komplex. Fast alle Abteilungen von Schwalbe kommen damit in Kontakt“, erläutert Jahn, „Obwohl wir in der Fahrradbranche zuhause sind, wurden wir aufgrund fehlender Alternativen zu Pionieren der Kreislaufwirtschaft.“

In der Pyrolyse entstehen neue Rohstoffe

Auch alte Reifen werden von Schwalbe eigens eingesammelt, um die enthaltenen Rohstoffe sinnvoll zu verwerten. Zusammen mit der Technischen Hochschule Köln und dem Recyclingspezialisten „Pyrum Innovations“ entstand dazu ein optimiertes Verfahren, das auf dem Fahrradmarkt bislang einzigartig ist. Herzstück ist eine Pyrolyse, ein chemischer Prozess, mit dessen Hilfe die verschiedenen Gummimischungen gespalten werden. Das Ergebnis: Prozessgas, Pyrolyseöl und Pyrolysekoks, recovered Carbon Black (rCB) oder auch Recyclingruß genannt. Das Gas wird als Energiequelle für die Pyrolyse verstromt. Diese läuft somit trotz der hohen Temperaturen, die benötigt werden, energieautark ab. Das Pyrolyseöl ist ein begehrter Rohstoff, der in der chemischen Industrie dazu verwendet wird, Rohöl zu ersetzen. So werden zum Beispiel Kunstfasern für Sportbekleidung daraus hergestellt. Das rCB schließlich wird bei Schwalbe zur Produktion neuer Reifen genutzt. „Industrieruß ist ein wichtiger Bestandteil aller Fahrrad- und Autoreifen. Unter anderem verleiht er dem Reifen Haftungseigenschaften und sorgt für Haltbarkeit und Fahrsicherheit. Konventioneller Industrieruß basiert auf Rohöl und Gas und ist in der Herstellung sehr CO2-intensiv. Indem wir diesen Industrieruß durch rCB ersetzen, sparen wir 80 Prozent der CO2-Emissionen ein“, sagt Jahn.

Zwischenstopp und neue Ökobilanz

Unter dem Strich stehen im Herbst 2023 über 400.000 recycelte Reifen sowie über 9,2 Millionen recycelte Schläuche. Der neue „Green Marathon“ besteht zu 70 Prozent aus nachwachsenden und recycelten Materialien. Für Felix Jahn ein Erfolg, aber auch ein Zwischenstand: „Das ist ein Meilenstein, aber wir arbeiten bereits daran, den Anteil noch weiter zu steigern.“ Zudem ist man in Reichshof derzeit mit einer neuen Ökobilanz beschäftigt, die von der Fertigung in Indonesien und Vietnam über die Logistik bis zum Recycling alle Geschäftsprozesse abbildet. 2024 soll sie fertiggestellt sein und neue Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen.

Schwalbe ist eine Marke mit Traditionsbewusstsein, Felix Jahn vertritt bereits die vierte Generation der Gründerfamilie Bohle, bei der sich schon immer fast alles ums Rad drehte. Für ihn eine starke Motivation, auch mit Blick auf den Klimaschutz und das generell gestiegene Umweltbewusstsein: „Das Fahrrad ermöglicht eine sehr freie, gesunde und emissionsfreie Mobilität, und wir sehen es als unsere Pflicht, sie so umweltfreundlich wie möglich zu gestalten. Im Herzen sind wir alle fahrradverrückt. Unsere Geschäftsführung fährt genauso begeistert Rad wie große Teile der Belegschaft, die immer wieder wichtige Impulse liefert, wo wir uns noch verbessern können. Wir sind eine große, fahrradfahrende Familie.“

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Die Ralf Bohle GmbH zählt mit seiner Marke Schwalbe zur nordrhein-westfälischen Umweltwirtschaft. Das Familienunternehmen aus Reichshof erzielt einen Umsatz von 335 Mio. Euro und bietet als erster Fahrradreifenhersteller ein Rücknahme- und Recyclingsystem für Reifen und Schläuche. Green Economy – stark in NRW.

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Schwalbe/Ralf Bohle GmbH


Beschäftigte
277

Umsatz
335 Mio. Euro

Patente
12

Forschungskooperationen
Technische Hochschule Köln, Pyrum Innovations AG, Frauenhofer Institut (und andere)

Gründung
1922

Firmensitz
Reichshof, Nordrhein-Westfalen

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