Der Blattgrün-Chip

Vom Treibhausgas zu wertvollen Rohstoffen

Düsseldorf/Aachen, 30.06.2021 • Ein neuartiger Halbleiter soll in Zukunft CO2 mit der Hilfe von Sonnenlicht in wichtige Rohstoffe umwandeln. Die Technik soll CO2-Kreisläufe schließen und den Eintrag des Klimagases in die Atmosphäre verringern. Das Vorhaben der Gesellschaft für Angewandte Mikro- und Optoelektronik zusammen mit dem Zentrum für Brennstoffzellen Technik und NB Technologies wird durch das Sonderprogramm Umweltwirtschaft des NRW-Umweltministeriums gefördert.

Kohlendioxid ist ein natürlicher Bestandteil unserer Atmosphäre – und ein relevanter Faktor des menschengemachten Klimawandels. Daher werden weltweit unterschiedliche Ansätze verfolgt, um den Ausstoß von CO2 in die Atmosphäre zu verringern. Im Projekt ACOMAT ist das genauso. Und doch ist das Vorgehen ganz anders: „Wir sehen CO2 nicht als Problem, sondern als Rohstoff. Und den wandeln wir um in andere Substanzen, die direkt nutzbar sind. Im Idealfall können wir das CO2 auf diese Weise sogar in einem geschlossenen Kreislauf halten“, erläutert Dr. Ulrich Plachetka, Gruppenleiter bei der Gesellschaft für Angewandte Mikro- und Optoelektronik (AMO) in Aachen.

Zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Projektverbund arbeitet Plachetka dazu an einem Halbleiter mit besonderen Eigenschaften: Ähnlich einer Solarzelle nutzt der Chip die Energie des Sonnenlichts. Allerdings nicht, um daraus Strom zu gewinnen. Die Energie wird verwendet, um gleich mehrere chemische Reaktionen an der Oberfläche des Halbleiters anzustoßen. Man spricht daher von einem Photokatalysator und von künstlicher Photosynthese. „Wir erzeugen aus Sonnenlicht, CO2 und Wasser die Verbindungen Methan, Methanol und Ameisensäure. Methan ist der Hauptbestanteil von Erdgas. Methanol ist ein Treibstoff, der in einer Brennstoffzelle verwendet werden kann, also zum Beispiel für einen Energiespeicher oder in der Mobilität. Und Ameisensäure ist ein wichtiges Ausgangsmaterial für Prozesse der chemischen Industrie“, erläutert Plachetka.

Damit diese Stoffe entstehen können, wird der Halbleiter in einem sogenannten Reaktor betrieben: letztlich ein kleiner Kasten, der durch einen gläsernen Deckel das Sonnenlicht hindurchlässt. Über Strömungslinien in diesem Deckel werden die Ausgangsstoffe Wasserdampf und CO2 an der Oberfläche des Halbleiters entlangführt, damit die Reaktion ohne weitere Zufuhr von Energie ablaufen kann. Wie im Blattgrün einer Pflanze.

Gute Bandlücke, schlechte Bandlücke

Das eigentliche Novum ist dabei nicht, die Reaktionen grundsätzlich möglich zu machen. Wie oft in der angewandten Forschung geht es darum, einen bekannten Ansatz so weit zu verbessern, dass er industriell nutzbar wird. Und dem steht derzeit insbesondere ein zentrales Merkmal des Photokatalysators entgegen: die „Bandlücke“.

Warum das so ist, wird bei näherer Betrachtung deutlich: Denn als Photokatalysator kommen ganz unterschiedliche Substanzen infrage. Diese haben unterschiedliche elektrische und optische Eigenschaften, die im Wesentlichen durch die jeweilige Bandlücke bestimmt werden. So entscheidet die Bandlücke, ob ein Photokatalysator überhaupt die richtigen Potenziale liefert, um die gewünschten Reaktionen anstoßen zu können. Zugleich definiert sie aber auch die Breite des Lichtspektrums, dessen Energie zu dieser Reaktion herangezogen werden kann. Leider ist es nun so, dass gerade der Photokatalysator, der aufgrund seiner großen Bandlücke für den hier gewünschten Effekt geeignet ist, aus demselben Grund nur einen sehr geringen Teil des Sonnenlichts als Energiequelle nutzen kann. „Wir verwenden Titandioxid als Photokatalysator. Damit können wir aber nur den UV-Anteil des Sonnenlichtes für unsere Reaktion nutzen, das sind gerade mal 4 Prozent“, erläutert Plachetka. Kurz gesagt: Die große Bandlücke ist zugleich gut und schlecht für das gewünschte Ziel. Sie macht die Reaktion erst möglich und zugleich das Prinzip ineffizient. Ein Dilemma, an dessen Lösung im Projekt ACOMAT intensiv gearbeitet wird.

2D-Materialien machen den Chip effizienter

Ein möglicher Weg zu einer effizienteren Photokatalyse führt über besondere Materialien, die sehr dünn auf dem Halbleiter aufgebracht werden. „Der Trick besteht darin, die verschiedenen Bandlücken der Materialien sinnvoll zu kombinieren. Das machen wir zum Beispiel mit 2D-Materialien. Wir arbeiten unter anderem mit Molybdändisulfid in Kombination mit verschiedenen Metallen“, beschreibt Benny Ku, der als Wissenschaftler im Projektteam tätig ist.

2D-Materialien sind eigentlich altbekannte Substanzen, die in Schichten von nur einem bzw. wenigen Molekülen Stärke außergewöhnlich nützliche Eigenschaften zeigen. Man nenn sie 2D-Materialien, weil die Schichten so dünn sind, dass sie wie ein Blatt Papier im Grunde nur zwei der drei Raumdimensionen beanspruchen. Ein bekanntes Beispiel für ein 2D-Material ist das Graphen, das besondere elektrische Eigenschaften besitzt. Als Graphit zeigt es diese Eigenschaften nicht, obwohl dieses tatsächlich nur aus vielen gestapelten Lagen Graphen besteht. Auch das optische Verhalten eines Materials kann sich „in 2D“ stark ändern. Ein ganzer Forschungszweck befasst sich daher mittlerweile mit den besonderen Eigenschaften dieser superdünnen Schichten.

Im Falle des Photokatalysators der AMO sollen 2D-Materialien nun dafür sorgen, dass mehr Licht für die gewünschten Reaktionen genutzt werden kann. Dafür können zum Beispiel die Vorteile zweier Substanzen mit unterschiedlicher Bandlücke kombiniert werden, um mehr sichtbares Licht einzufangen und gleichzeitig die Ladungsträger auf dem Weg zur Oberfläche voneinander zu trennen. „Mit diesen Methoden verdoppeln bis verdreifachen wir die Effizienz des eigentlichen Photokatalysators“, hofft Plachetka. Um die Eignung der 2D-Materialien zu testen, werden zunächst verschiedene Varianten in Versuchshalbleitern realisiert. Das geschieht im eigenen Reinraum der AMO oder unter Mitwirkung des Projektpartners NB Technologies, der in Bonn über Depositions- und Galvanikanlagen verfügt. Die eigentliche Aufspaltung des CO2 mit den neuen Photokatalyse-Chips wird dann beim Zentrum für Brennstoffzellen Technik (ZBT) in Duisburg getestet.

Der Weg in die Praxis

„Das Marktpotenzial ist enorm hoch“, sagt Plachetka mit Blick in die Zukunft. „Es wird weiterhin CO2 anfallen und wir benötigen Technologien, um es sinnvoll wiederzuverwenden.“ Doch bis dahin, ist es noch ein weiter Weg. Vorerst wird es darum gehen, die höhere Effizienz nachzuweisen und möglichst viel über die dahinterliegenden Prozesse zu lernen. „Wir möchten zeigen, dass wir CO2 aufspalten und umwandeln können. Und wir möchten wissen, welche Prozessparameter auf welche Art wirken. Welche Temperatur brauche ich, welche Lichtintensität, welche Materialien? Das bildet die Grundlage, um den Prozess in die Industrie zu bringen“, fasst Plachetka das Projektziel zusammen.

Später könnte die Technik dann ähnlich wie eine große Solarthermieanlage aussehen. In frühestens fünf bis sechs Jahren könne es so weit sein, dass eine signifikante Umsetzung vorstellbar ist, schätzt Plachetka. Die bis dahin nötige Arbeit schreckt ihn nicht, denn der Fachmann für Regenerative Energietechnik und Energiesysteme kann durchaus als Überzeugungstäter bezeichnet werden. „Das Tolle ist, dass wir an einer Lösung für ein globales Problem arbeiten. Das treibt uns an. An einer Lösung mitzuarbeiten, ist für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler immer motivierend.“

***

Das Projekt „ACOMAT“ wird im Rahmen der Umweltwirtschaftsstrategie des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert. Im Mittelpunkt der Forschung steht die Photokatalyse, auch künstliche Photosynthese genannt, um CO2 in wertvolle Rohstoffe umzuwandeln. Umweltwirtschaft – Vorsprung für NRW.

Projekt

ACOMAT

Kontakt

Dr. Ulrich Plachetka
plachetka(at)avoid-unrequested-mailsamo.de

Projektleitung

AMO GmbH, Gesellschaft für Angewandte Mikro- und Optoelektronik mbH, Aachen

Projektpartner

NB Technologies GmbH (NBT), Bonn
Zentrum für Brennstoffzellen Technik (ZBT), Duisburg

www.amo.de