Düsseldorf/Bonn, 18.11.2024 • Um den Ressourcenverbrauch zu reduzieren, die Recyclingquoten zu steigern und eine Kreislaufwirtschaft zu etablieren, hat sich die CIRCULARMED GmbH aus Bonn auf das Abfallmanagement in Krankenhäusern spezialisiert. Zusammen mit der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen e. V. (KGNW) will das Unternehmen den ersten innovativen und einheitlichen Standard für ein nachhaltiges und digitales Abfall- und Wertstoffmanagement in Krankenhäusern entwickeln. Das Projekt wird im Rahmen des Wettbewerbs GrüneGründungen.NRW gefördert durch Land und EU.
Ein, zwei saubere Schnitte und der alte Verband kann weg. Und nicht nur der: Neben altem Mull und Pflastern wandert in deutschen Krankenhäusern häufig auch das Werkzeug in den Abfall. Scheren, Pinzetten und weitere medizinische Hilfsmittel werden heute oft als Einmalprodukte eingekauft und nach Gebrauch weggeworfen. Kostbare Wertstoffe, wie in diesem Fall der Edelstahl, landen im Restmüll und schließlich in der Müllverbrennung. Michael Schmitz und sein Team wollen das ändern.
„Die Recyclingquote in der deutschen Gesundheitsbranche liegt im Durchschnitt unter 30 Prozent“, sagt der Geschäftsführer der CIRCULARMED GmbH aus Bonn. „Unser Rezept dagegen lautet professionelles Abfallmanagement und möglichst geschlossene Wertstoffkreisläufe. Mit diesem Ziel entwickeln wir den ersten Entsorgungsstandard für die deutsche Gesundheitsbranche.“
Doch warum wird in den Krankenhäusern überhaupt so wenig recycelt? Zumindest im Durchschnitt liegen die Quoten in Deutschland deutlich höher: So wurden laut statistischem Bundesamt bereits 2021 rund 68 Prozent der Siedlungsabfälle hierzulande recycelt. Statista gibt für 2022 eine gemittelte Recyclingquote über das gesamte Abfallaufkommen von 70 Prozent an. Doch im Gesundheitswesen herrschen nun mal besondere Bedingungen. „Es gibt komplexe gesetzliche Bestimmungen zu medizinischen Abfällen, zudem arbeiten die Kliniken unter enormem Kostendruck und mit unbedingtem Fokus auf ihre Patientinnen und Patienten. Recycling hat deshalb schlicht keine Priorität“, sagt Schmitz.
Ein Standard für alle Entsorgungsprozesse
Ein erprobtes Verfahren, eine Art Blaupause für den Umgang mit Abfällen, speziell in Klinken, soll dies ändern. „Bei CIRCULARMED verbindet sich die Kompetenz in der Abfallwirtschaft mit detaillierten Branchenkenntnissen aus der Krankenhauswelt“, sagt Schmitz, der seit vielen Jahren auch als Dozent für die Abfallbeauftragten der Klinken tätig ist. „Wir entwickeln deshalb eine Branchenlösung, die auf die spezifischen Anforderungen im Gesundheitswesen zugeschnitten ist. Dies umfasst eine Softwareplattform, aber auch vieles mehr, etwa Vorgaben für die Abfallsammlung und die Schulung des Personals.“
Ziel ist ein umfassender Standard für alle Entsorgungsprozesse. Diese beginnen zumeist dort, wo die Abfälle anfallen, also etwa im Zimmer einer Patientin, in der Ambulanz oder im OP. An jedem dieser Punkte entstehen typischerweise unterschiedliche Abfälle. Außerdem gilt: Was hier in einem Behälter gesammelt wurde, wird in der Regel später nicht mehr getrennt. Vor allem dann nicht, wenn es mit infektiösen Abfällen in Kontakt gerät. Entsprechende Behälter zu verwenden und einheitlich zu kennzeichnen, ist daher im Gesundheitswesen besonders wichtig. Die Realität ist eine andere. „Heute finden sie in zehn Krankenhäusern zehn unterschiedliche Farbsysteme und zehn Mal ein anderes Abholmanagement“, wie Schmitz feststellt. Das verkompliziere die Situation auch für die Entsorgungsbetriebe.
Herzstück des CIRCULARMED-Ansatzes ist eine eigens entwickelte Softwareplattform. Sie bietet den Zuständigen in den Kliniken umfangreiche Möglichkeiten, die Abfallströme zu erfassen, deren Entsorgung zu managen und dies verlässlich zu dokumentieren. Denn auch Berichtspflichten zählen zu den wachsenden Herausforderungen, denen Krankenhausbetreiber sich stellen müssen. So sind gemäß der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) ab 2025 nahezu alle Krankenhäuser und Klinken dazu verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht als Teil des jährlichen Geschäftsberichts vorzulegen. „In einen Nachhaltigkeitsbericht gehören auch zahlreiche Daten aus dem Abfallmanagement. Stand heute sind diese in vielen Krankenhäusern nicht vorhanden.“
Entwicklung an Pilotkrankenhäusern
In einem durch das Land NRW und die EU geförderten Projekt will CIRCULARMED die teilweise bereits erarbeiteten Lösungen zu einem anschlussfähigen Standard für alle Krankenhäuser und Kliniken weiterentwickeln. Zusammen mit der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen e. V. – in der sich die nordrhein-westfälischen Krankenhausträger und Spitzenverbände zusammengeschlossen haben – werden dazu vier möglichst verschiedene Pilotkrankenhäuser in NRW ausgewählt und in jedem eine Potenzialanalyse durchgeführt. Schritt für Schritt werden dann alle Entsorgungsprozesse der Pilothäuser auf der Softwareplattform abgebildet. Parallel wird ein Behälterstandard einschließlich Farbsystem entwickelt, der künftig in den Pilothäusern verwendet werden soll. Schließlich geht es an die Information und Schulung des Personals, wozu entsprechende Unterlagen entwickelt und auch E-Learning-Einheiten und Videos konzipiert werden. „Wir starten mit den Grundlagen, denn auch in Krankhäusern gibt es große Mengen an Papier, Glas oder Verpackungsmüll. Anders als zuhause werden die in der Regel aber noch nicht getrennt entsorgt“, beschreibt Schmitz. „Daneben wollen wir im Projekt noch zwei beispielhafte Rücknahmesysteme zusammen mit Herstellerunternehmen entwickeln. Dafür suchen wir Produkte aus, die sich gut für eine Wiederverwertung durch den Hersteller bzw. Recycler eignen, beispielsweise Verbandsscheren oder den für Anästhesiegeräte wichtigen Atemkalk. Für diese treffen wir dann entsprechende Verabredungen mit den Herstellern, um Alternativen zu Einwegprodukten anbieten zu können.“
Komplettlösung für die Gesundheitsbranche
Ist der Standard einmal etabliert, kann die Recyclingquote Schritt für Schritt verbessert werden. Als Datenbasis dient dabei die digitale CIRCULARMED-Plattform. „Ziel ist es, so viele Wertstoffe wie möglich in die stoffliche Verwertung zu bringen, damit sie nicht mehr verbrannt werden. Dafür stellen wir Wissen und skalierbare Recyclingmodelle zur Verfügung. Außerdem beraten wir zu Fördermöglichkeiten und sorgen für einen aktiven Austausch zwischen Klinken, Herstellern und Entsorgern“, sagt der Geschäftsführer.
Michael Schmitz kennt die unterschiedlichen Perspektiven auch aus eigener Anschauung. Als geprüfter Umweltmanager und Abfallbeauftragter hat er in seiner Laufbahn für Entsorgungsbetriebe und Kliniken gearbeitet. Zuletzt hat er sich als Mitarbeiter des Universitätsklinikums Bonn mit dem Abholmanagement befasst und sich dabei intensiv mit den Möglichkeiten der Digitalisierung auseinandergesetzt. „Als mir bewusst wurde, wieviel wir in der Klinikwelt verändern können, ist die Idee zur Gründung entstanden. Zunächst bin ich von einer digitalen Unterstützung ausgegangen und habe dann nach und nach gemerkt, es braucht mehr, es bedarf einer Branchenlösung, die wir den Kliniken an die Hand geben können, um ein nachhaltiges Abfallmanagement zu etablieren.“
Ökonomie und Ökologie verbinden
Der Manager setzt sich auch privat für eine nachhaltige Lebensweise ein. Dennoch ist er Realist genug, um auch die ökonomischen Fakten und Potenziale im Blick zu behalten. „Eine Tonne Restmüll kostet in der Entsorgung rund 220 Euro“, stellt er fest und rechnet vor: „Für eine Tonne Edelstahl bekomme ich im Recycling derzeit etwa 300 Euro gutgeschrieben, auch für Papier und Pappe und andere Wertstoffe gibt es solche Vergütungen. In einem großen Klinikum lassen sich durch intelligentes Abfallmanagement auch nach Abzug aller Kosten noch große Summen sparen. Was konkret möglich ist, prüfen wir immer zu Beginn unserer Arbeit in der Potenzialanalyse.“
Aufgrund sich ändernder politischer Rahmenbedingungen werden diese Einsparungsmöglichkeiten zukünftig noch größer werden. Der CIRCULARMED-Standard soll jedenfalls nach Abschluss der zweijährigen Projektlaufzeit im ganzen Bundesgebiet angeboten werden. Dabei verspürt der Gründer durchaus Rückenwind, der über Bewilligung von Fördergeldern hinaus geht: „NRW ist für mich ein ausgesprochen guter Standort für nachhaltige Start-ups und digitale Innovationen. Es gibt hier eine Aufbruchstimmung, die ich anderswo in dieser Form noch nicht verspürt habe.“
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Das Projekt „CIRCULARMED“ wird durch den Wettbewerb GrüneGründungen.NRW im Rahmen der Umweltwirtschaftsstrategie des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert durch die EU und das Land NRW. Die CIRCULARMED GmbH entwickelt zusammen mit der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen e.V. erstmalig einen Entsorgungsstandard für Krankenhäuser und Klinken und bietet eine Komplettlösung für ein digitales Abfallmanagement und geschlossene Wertstoffkreisläufe. #MeilensteineGreenNRW