Düsseldorf/Versmold, 11.11.2024 • Schon heute helfen die Produkte der Wax Solutions aus Versmold in Ostwestfalen-Lippe dabei, Kunststoffe in Verpackungspapier zu reduzieren. Im jetzt gestarteten Projekt „BaWaFlex“ geht es darum, ein Komplettsystem für biobasierte und recyclingfähige Papierbeschichtungen im anspruchsvollen Lebensmittelbereich zur Marktreife zu bringen. Das Vorhaben wird im Rahmen des Wettbewerbs Grüne Gründungen.NRW gefördert durch Land und EU.
Ein Hoch auf die Papierverpackung! Verpackungspapiere stellen inzwischen das größte Segment der Papiererzeugung dar. Etwa 100 Kilo verbraucht jede Bürgerin und jeder Bürger davon pro Jahr. Immer mehr Produkte kommen in Papier und Pappe gehüllt in den Verkauf oder Versand.
Trotz hoher Recyclingquoten sind Papier und Pappe nicht per se umweltfreundlich. Verpackungspapiere werden z.B. je nach Anforderung mit unterschiedlichen Beschichtungen versehen, damit sie ihre Funktion erfüllen können. Hierbei kommen Chemikalien wie die umstrittenen per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) und verschiedene Kunststoffe zum Einsatz. Diese Stoffe stören den Recyclingkreislauf und gelangen über das Abwasser in die Umwelt, wo sie teilweise sehr lange verbleiben. PFAS werden daher auch Ewigkeitschemikalien genannt. Kunststoffe wiederum belasten als Mikroplastik Böden und Gewässer.
Eine mögliche Lösung für diese Probleme wird aktuell von der jungen Ausgründung Wax Solutions in Versmold erprobt. „Wir arbeiten an der umweltverträglichen Papierverpackung für Lebensmittel. Dazu haben wir eine Beschichtung auf der Grundlage natürlicher Wachse entwickelt, die wir jetzt für die unterschiedlichen Anforderung im Lebensmittelbereich fitmachen und im großen Maßstab produzieren wollen“, beschreibt Dennis Kleine-Tebbe, der bei Wax Solutions für die Geschäftsentwicklung zuständig ist, den innovativen Ansatz des Unternehmens. „Damit verbessern wir die Recyclingfähigkeit und unterstützen die Abkehr von der erdölbasierten Wirtschaft.“
Zahlreiche Anwendungen für beschichtetes Papier
Beschichtetes Papier ist Alltag. Es wird in zahlreichen Varianten für die unterschiedlichsten Zwecke eingesetzt. Unter anderem für Lebensmittel: Ob als Einschlagpapier im Burgerladen oder an der Käsetheke, als Pappteller beim Kindergeburtstag, als Papierbeutel für Backpulver oder Frühstücksflocken. Tatsächlich kommt kaum ein Verpackungspapier ohne Beschichtung auf den Markt. „Häufig soll die Verpackung zum Beispiel vor Feuchtigkeit schützen oder das Austreten von Fett verhindern – dafür benötigen wir eine Barrierefunktion. Damit Tüten und Beutel verschlossen werden können, muss das Papier außerdem siegelfähig sein“, erklärt Kleine-Tebbe. „Und erst die richtige Beschichtung sorgt dafür, dass das Papier diese individuellen Aufgaben erfüllen kann.“
Die Vielfalt der Funktionen und Einsatzgebiete lässt ahnen: Das Know-how der Versmolder besteht nicht aus einer Geheimformel für die eine, perfekte Beschichtung. Vielmehr werden Beschichtungen aus verschiedenen Komponenten individuell konfektioniert, zumeist gemeinsam mit einem Kunden, der das gewünschte Funktionsprofil vorgibt. Dazu ist viel Erfahrung und ein erprobter „Baukasten“ verschiedener Komponenten erforderlich. Im einfachsten Fall sind dies ein Bindemittel, der sogenannte „Binder“, und eine Funktionskomponente, zum Beispiel die „Barriere“. Um diese Bestandteile zu produzieren und individuell abzustimmen, greift Wax Solutions auf eine breite Palette natürlicher Rohstoffe zurück.
Dr. Kasper van der Zwan, Produktentwickler im Unternehmen, gibt einen Einblick: „Neben Bienenwachs prüfen wir auch verschiedene pflanzliche Rohstoffe. Reiskleiewachs ist zum Beispiel ein interessanter Rohstoff für uns, das ist ein Abfallprodukt aus der Reisverarbeitung.“
Bereits heute bietet das Unternehmen einen biobasierten Wachszusatz an, der die Barrierewirkung einer Kunststoffbeschichtung verbessert. Im Rahmen der EFRE-JTF-Förderung für „Grüne Gründungen.NRW“ wird daraus eine biobasierte Komplettlösung entwickelt, die herkömmliche Beschichtungen vollständig ersetzen kann.
Schritt für Schritt zur biobasierten Komplettlösung
„Im ersten Schritt entsteht der Prototyp einer Produktionsanlage, in der wir größere Mengen unserer Beschichtungen herstellen und testen können“, beschreibt van der Zwan. „Im zweiten Schritt geht es an die Herstellung eines Papiermusters, z. B. für Einschlagpapier. Dann widmen wir uns der Beschichtung von Karton und im letzten Schritt kümmern wir uns um Fasergussschalen, wie man sie beispielsweise bei Essenslieferungen benutzt.“ Jede dieser Materialien bringt eigene Voraussetzungen mit und muss in der Produktion anders behandelt werden. Zudem gibt es unterschiedliche Beschichtungstechniken, die andere Produkteigenschaften erfordern. „Karton ist zum Beispiel sehr saugfähig, da müssen wir eventuell mit einem Vorstrich arbeiten, einer Art Grundierung. Rollenpapier wird durch die Beschichtungsanlage durchgezogen, bei Fassergussschalen muss sie aufgesprüht werden. Für all dies wollen wir passende Lösungen bieten, die dann am Ende auch als Lebensmittelverpackung geeignet sind und zertifiziert werden.“
Die Entwicklungsarbeit soll zusammen mit Kunden und Interessenten erfolgen, denn später wird die Beschichtung schließlich direkt beim Papierhersteller oder Converter aufgebracht. So nennt man die Betriebe, die Papier beispielsweise zu Verpackungen weiterverarbeiten. „Wir beschichten nicht selbst, sondern entwickeln mit den Kundinnen und Kunden ein passendes Produkt, das den jeweiligen Anforderungen an die Papiereigenschaften und der verwendeten Produktionstechnik entspricht.“ Auf diese Weise ist auch sichergestellt, dass die Produktentwicklung nicht nur dem Nachhaltigkeitsgedanken, sondern auch dem Bedarf am Markt entspricht.
Zum Abschluss der dreijährigen Arbeit im Projekt soll dann das Recycling noch einmal umfassend betrachtet werden. „Wir wollen dazu eine eigene Recyclingprüfungsanlage im Labormaßstab hier im Betrieb aufbauen“, sagt der Chemiker van der Zwan und erläutert den etwas ungewöhnlichen Plan: „Mit der Anlage wollen wir sicherstellen, dass alle Papierfasern wiederverwertet werden können und die Beschichtung keinen negativen Einfluss auf den Recyclingprozess hat.“
Es ist deutlich zu spüren: Wenn es um die Feinheiten geht, die die Nachhaltigkeit des Produktes prägen, ist das Team ganz in seinem Element. „Intrinsische Motivation hilft“, sagt Dr. van der Zwan dazu. „Und es motiviert einfach ungemein, wenn man sich auch zuhause oder im Gespräch mit Freunden noch voll mit der Arbeit identifizieren kann.“ Sein Kollege ergänzt: „Es ist ein gutes Gefühl, wenn man morgens aufsteht und weiß, dass man etwas Sinnvolles tut. Dazu zählt auch, dass man selbst etwas bewirken kann – auch weil wir hier sehr agil und schnell arbeiten können.“
Biobasierte Wertschöpfung für die Papierindustrie
Derzeit sind Dennis Kleine-Tebbe und Dr. Kasper van der Zwan Teil eines kleinen Teams, doch das könnte sich bald ändern. „Das Thema Nachhaltigkeit ist in der Papierindustrie sehr groß, es gibt viele Herausforderungen, das merkt man in den vielen Gesprächen, die wir geführt haben“, erläutert Kleine-Tebbe. „Der Bedarf an guten Lösungen ist also sehr hoch, deshalb gehen wir davon aus, dass wir nach Abschluss unseres Projektes auch schnell größere Mengen anbieten können und entsprechend wachsen werden.“
Auch der Standort könnte sich dabei als Erfolgsfaktor erweisen. Nordrhein-Westfalen bildet ein Zentrum der deutschen Papierindustrie, die weltweit zu den größten und innovativsten zählt. „Wir fühlen uns hier tatsächlich sehr gut aufgehoben, auch wegen des Transfernetzwerkes rund um die Hochschule und die Uni Bielefeld und der starken Wirtschaftsförderung hier im Kreis Gütersloh“, sagt der Betriebswirt Kleine-Tebbe. „Und gerade wenn es um biobasierte Wertschöpfung geht, haben wir den Eindruck gewonnen, dass das Land NRW eine ganze Menge auf den Weg bringt, um Unternehmen und Start-ups zu unterstützen.“
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Das Projekt „BaWaFlex“ wird durch den Wettbewerb Grüne Gründungen.NRW im Rahmen der Umweltwirtschaftsstrategie des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert durch die EU und das Land NRW. Um den Kunststoffeinsatz in der Papierindustrie zu reduzieren und die Recyclingfähigkeit zu verbessern, entwickelt das Unternehmen Wax Solutions aus Versmold eine biobasierte Papierbeschichtung für Lebensmittelverpackungen zur Marktreife. Grundlage dafür sind natürliche Wachse. #MeilensteineGreenNRW.