Enapter AG • Saerbeck

Im Interview: Sebastian-Justus Schmidt, Vorstand und Gründer

Düsseldorf, 15.11.2022 • Sebastian-Justus Schmidt, Gründer und Vorstand der Enapter AG, spricht im Interview über Energieautarkie mit Wasserstoff, den Zufriedenheitsfaktor und umweltfreundliches Wirtschaften.

Welche Produkte mit einem Umweltnutzen bieten Sie an?

Wir entwickeln und produzieren Elektrolyseure. Das sind Systeme, die aus grünem Strom und etwas Wasser ein Gas herstellen: Wasserstoff. Wasserstoff gilt als die wesentliche Komponente, um massiv CO2 zu reduzieren. Denn bei seiner Verbrennung entstehen keine klimaschädlichen Emissionen.

Stellen Sie sich vor: Wir ersetzen das Gas aus Russland durch Wasserstoff, der komplett aus den heimischen Energiequellen Wind und Solar erzeugt wird. Für mich ist das eine wahnsinnig motivierende Vorstellung! Und es gibt noch viel mehr Beispiele für die Verwendung von Wasserstoff. Man kann ihn als Energiespeicher nutzen und generell überall dort einsetzen, wo eine Elektrifizierung mit der heutigen Batterietechnik an ihre Grenzen kommt.

Was tun Sie für Umweltschutz und Nachhaltigkeit in Ihrem Unternehmen?

Wenn wir schon so wesentliche Bausteine für CO2-freie Energiesysteme der Zukunft bauen, dann wollen wir das auch wirklich richtig machen. Wir sind begeisterte Techniker und Ingenieure mit Visionen, und wollen daher in der Nachhaltigkeit auch ein Vorbild sein.

Mit Saerbeck bei Münster haben wir einen Standort gewählt, an dem wir zu 100% wirklich grünen Strom und auch Wärme aus dem Bürgerenergiepark Saerbeck beziehen können – mit einer eigenen Leitung und einer eigenen, echten Pipeline für grünen Wasserstoff. Zusammen mit unseren Solarpanelen auf dem Dach werden wir absolut unabhängig vom deutschen Versorgungsnetz. Wir werden das einzige Unternehmen der produzierenden und forschenden Industrie in Deutschland und vielleicht in Europa sein, das völlig energie-autark arbeitet.

Auch bei unseren Produkten sind Details entscheidend: Wir entwickeln unsere Elektrolyseur-Systeme so, dass wir sie am Ende der Nutzungsdauer zurücknehmen und recyclen können. Die Materialien werden dadurch wieder dem Rohstoffkreislauf zugeführt. Unser Ziel ist es, auch in Sachen Kreislaufwirtschaft ein Beispiel zu geben.

Was verstehen Sie unter der „ökologischen Transformation“ allgemein und in Bezug auf Ihr Unternehmen?

Vor dem Begriff habe ich Respekt, weil sich unter dieser Überschrift alles Mögliche vereint und auch so viele unterschiedliche Aktivitäten gemeint sind. Für mich geht es im Kern darum, die gesamte Energieversorgung aller Sektoren für die Industrie und auch für die Privathaushalte komplett auf erneuerbare Energien umzustellen.
Das ist ein großes Rad. Und klar: Es gibt zahlreiche Diskussionen, wie man das am besten gestaltet und vor allem in welcher Geschwindigkeit. Wir beteiligen uns nicht daran. Wir setzen die ökologische Transformation einfach um. Einer muss anfangen.

Sie haben Ihr Unternehmen auf ein nachhaltiges Wirtschaften eingestellt. Inwiefern sehen Sie sich als Umdenker?

Ich kann mich persönlich mit dem Begriff Umdenker nicht anfreunden. Wir von Enapter sind eigentlich nur konsequent. Wir sind keine Weltverbesserer, die auf Kosten anderer die Welt retten wollen. Wir sind dabei, ein hochprofitables, modernes Unternehmen aufzubauen, dass zudem umwelttechnisch bestens für die Zukunft gerüstet ist.

Zusammen mit dem Fraunhofer Institut UMSICHT, dem Wuppertal Institut sowie dem iSuN der FH Münster schauen wir uns dazu zum Beispiel den gesamten Enapter Campus genau an und machen unseren CO2-Abdruck auch in den kleinsten Details messbar. Mir persönlich liegt auch noch unser kleines Biotop auf dem Campus am Herzen. Das wollen wir mit den lokalen Umweltgruppen planen.

Wie betrifft die aktuelle Lage an den Energie- und Rohstoffmärkten das Umdenken in Ihrem Unternehmen?

Das Ziel, Wasserstoff günstiger herzustellen als Fossile Brennstoffe ist wahrscheinlich in zwei Jahren erreicht – dabei soll die Fabrikation in Saerbeck helfen. Mit den hohen Energiepreisen entsteht eine ungewöhnliche Situation: Das Ziel kommt uns entgegen. Aber man soll sich nicht täuschen lassen, Energiepreise von fossilen Energieträgern können auch wieder massiv sinken. Fakt ist: Um sich zukünftig vor stark schwankenden Preisen zu schützen kann man jedem nur empfehlen, sich ein hohes Maß an Energieautarkie zuzulegen.

Durch unsere spezielle AEM-Technologie haben wir einen Riesenvorteil gegenüber anderen Elektrolyseur-Herstellern: Diese setzen viel Titan und Iridium ein, was derzeit zu gigantischen Kostensteigerungen führt. Aber auch wir müssen bei der Lieferkette immer am Ball bleiben.

Insgesamt sind wir als Unternehmen sehr gut aufgestellt – aber grundsätzlich gibt die Situation in der Welt keinen Anlass, sich zurückzulehnen.

Lohnt sich wirtschaftlich gesehen das umweltfreundliche Wirtschaften für Ihr Unternehmen? Oder ist das noch eher ein strategisches Projekt?

Wer heute nicht die Zeichen der Zeit erkennt, wird langfristig verlieren. Mit Wasserstoff sind wir Pionier und das einzige Unternehmen, dass die zukunftsweisende AEM-Elektrolyse erfolgreich nach vorne gebracht hat. Unsere Elektrolyseure arbeiten mittlerweile in mehr als 50 Ländern weltweit.

Insgesamt kann ich nur sagen: Umweltfreundliches Wirtschaften ist eine der besten Investitionen, die man sich denken kann. Energieautarkie schafft sichere Business-Pläne hinsichtlich der Energiekosten. Das Siegel „Zero CO2“ ist ein starkes Werbesignal. Und das Allerbeste: Intelligente Fachkräfte suchen sich die Unternehmen aus, die sich erfolgreich solchen großen Herausforderungen widmen und wollen ein Teil davon sein.

Der Zufriedenheitsfaktor bei uns ist kaum in Geld aufzuwiegen. Wir wissen aber, dass wir unser Ziel, CO2 zu reduzieren, nur erreichen, wenn wir ein hochprofitables Unternehmen werden. Und daran arbeiten wir mit ganzem Einsatz jeden Tag.

Wo lagen und liegen die größten Herausforderungen für Ihr Unternehmen bei der Transformation?

Ich glaube, dass in der Welt um uns herum die Themen einer wirklich tiefgreifenden Transformation noch nicht angekommen sind. Es gibt zu viele Beteiligte, die einfach so weitermachen wie bisher. Das Beharrungsvermögen ist ungeheuer groß. Ich hörte einmal auf einer Konferenz bei einer Kaffeepause einen Energiemanager lachend sagen: „Eine Zielsetzung auf 2050 ist immer gut, das ist dann nicht mehr mein Problem“. Menschlich kann man das verstehen, denn es wird Änderungen geben, deren Ausmaß im letzten Detail heute noch keiner kennt.

Doch davon sollten wir uns nicht beirren lassen. Zum Glück gibt es auch ein paar leuchtende Beispiele wie z.B. der Pumpenhersteller Wilo, die sich den Herausforderungen proaktiv stellt mit Ihrem Wilo-Campus in Dortmund und dort auch Wasserstoff zum eigenen Bedarf vor Ort herstellt. Die Transformation braucht solche konkreten Beispiele, damit Druck aufgebaut wird.

Seit wann beschäftigen Sie sich mit Fragen des nachhaltigen Wirtschaftens? Wie kam es dazu? Gab es für Sie persönlich einen bestimmten Moment des Umdenkens?

Ich bin in dieses Thema in den letzten zwanzig Jahren langsam hineingewachsen. So richtig „Klick“ gemacht hat es bei dem Besuch einer unbewohnten Insel in der Nähe von Thailand, die umgeben war von einem hohen, dichten Teppich aus Müll, der immer wieder angespült wird bei jedem Sturm. Seitdem beschäftige ich mich zentral mit dem Thema der Nachhaltigkeit – und seit 2014 beschäftige ich mich zudem intensiv mit Wasserstoff.

Das Problem mit Wasserstoff ist, dass er noch zu teuer ist. Wir haben uns Ende 2017 überlegt, ob es machbar ist, Elektrolyseur-Systeme so günstig zu bauen, dass wir eine echte Chance haben, mit Wasserstoff eine Preisparität innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums zu erreichen. Die Antwort lautete: Ja. Und sie hat dazu geführt, dass wir die Firma Enapter gegründet haben.

Welche Standortfaktoren braucht die Green Economy in Ihren Augen? Was kann NRW tun, um Unternehmen den Umbau zu erleichtern und weiterhin führender (Umwelt)Wirtschaftsstandort zu bleiben?

Durch die starke Industrie in NRW wurde hier frühzeitig verstanden, dass die Dekarbonisierung nicht allein Strom, sondern auch Gas/Wärme und damit zukünftig Wasserstoff bedeutet. Das ist ein großer Vorteil und bleibt auch der einzig realistische Ansatz. Wir sollten grundsätzlich technologieoffen an die Herausforderungen der Zukunft gehen.

Allerdings: Grüne Technologien brauchen grüne Energie. Der zügige Ausbau von Wind und Solar sollte sich eigentlich nicht mehr in der Diskussion befinden, sondern sich in der flächendeckenden Umsetzung. Wir müssen einfach daran arbeiten, einen hohen Grad an Energieautarkie zu erreichen.

NRW sollte sich massiv dafür einsetzen, dass das völlig antiquierte Stromnetz inkl. aller mit sich führenden Regularien endlich modernisiert wird und mehr Dezentralität erlaubt wird. Dann kann auch die Digitalisierung der Energiesysteme zu echten Einsparungen führen.

Wir brauchen schnell wesentlich weniger Regularien und deutlich schnellere Genehmigungsverfahren. Was man in NRW tun sollte: eine Priorität und beschleunigte Verfahren für grüne Projekte einführen. Das liegt dann partiell bei den Behörden selbst und auch lokale Entscheider können viel bewirken. Aber man muss Spielraum geben. Viele Menschen wollen diese Veränderung, und würden, wenn erlaubt, auch als Beteiligte die richtigen Schritte unternehmen. Wir bleiben optimistisch. Vor allem aber deshalb, weil wir uns eine sinnvolle Aufgabe gegeben haben.

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Das Interview wurde geführt anlässlich der Umweltwirtschaftstage NRW.

Enapter AG

Enapter stellt modulare Elektrolyseure her, die zur Produktion von grünem Wasserstoff genutzt werden. Derzeit baut das Unternehmen in der Klimakommune Saerbeck bei Münster den Enapter Campus – ein 82.000 Quadratmeter großes Gelände mit Elektrolyseur-Produktion, Forschung & Entwicklung sowie Verwaltung. Der gesamte Enapter Campus soll mit erneuerbarer Energie betrieben werden, die entweder vor Ort produziert oder aus dem nahegelegenen Bioenergiepark Saerbeck bezogen wird.

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