Regionalverband Ruhr (RVR) • Essen

Im Interview: Nina Frense, Beigeordnete für den Bereich Umwelt und Grüne Infrastruktur

Düsseldorf, 16.11.2022 • Nina Frense, Beigeordnete für den Bereich Umwelt und Grüne Infrastruktur im RVR, spricht im Interview über Herausforderungen bei der ökologischen Tansformation und die geballte Kompetenz im Revier.

Was tun Sie, was tut der RVR für den Klima- und Umweltschutz und das Thema Nachhaltigkeit? Welche Projekte stehen im Fokus?

Eine Kernaufgabe des RVR ist seit der Gründung vor 100 Jahren, Freiraum in der Metropole Ruhr zu schützen, weiterzuentwickeln und zu unterhalten und damit der steigenden Versiegelung in den Städten entgegenzuwirken. Seit dieser Zeit sind die Aufgaben und Wirkungsbereiche stetig gewachsen und erstrecken sich heute vom Ausbau des Radwegenetzes über das Pflanzen von Klimabäumen bis hin zur Entwicklung einer Biodiversitätsstrategie. Dazu gehört auch, vorhandene Grünflächen zu erweitern und zu verbessern, wie beispielsweise die fünf Revierparks der Region, die aktuell renaturiert und ökologisch aufgewertet werden, oder die Halden, die sich von ehemaligen Industriebrachen zu grünen Orten der Erholung entwickeln konnten. Vor dem Hintergrund der Energiekrise beschäftigt uns momentan besonders stark das Thema erneuerbare Energien. So wird beispielsweise geprüft, welche Halden in RVR-Besitz sich als Standorte für Photovoltaik- und Windkraftanlagen eignen. Aber auch das Thema Wasserstoff ist brandaktuell in unserer Region. Hier liegt geballte Kompetenz in den Universitäten und den Wirtschaftsunternehmen, was das Ruhrgebiet zum Vorreiter in der Forschung zu grünem Wasserstoff macht. Der RVR unterstützt diese Entwicklung als Koordinator mit dem neu eingerichteten Netzwerk „Hydrogen Metropole Ruhr“.

Was verstehen Sie unter der „ökologischen Transformation“ allgemein und in Bezug auf den RVR, seine Mitglieder und als Gesellschafter, z.B. der AGR?

Das Ruhrgebiet verfügt als ehemalige Montanregion über viel Erfahrung mit grünen Transformationsprozessen, was sich besonders in Zeiten des Klimawandels als Vorteil erweist. Wir treiben die ökologische Transformation auf regionaler Ebene in der gesamten (Kultur)landschaft voran, vor allem durch Impulse, Vernetzung und Fachstrategien. Damit wollen wir auch das öffentliche Bewusstsein für ökologische Landschaftsgestaltung schärfen. Außerdem entwickeln wir gemeinsam mit unseren Mitgliedskommunen fachlich fundierte Studien und Konzepte, um Projekte leichter umzusetzen. Zur ökologischen Transformation gehört auch ein bewusster Umgang mit wertvollen Ressourcen hin zu einer nachhaltigen Entsorgungs- und Kreislaufwirtschaft. So beschäftigt sich unsere Tochtergesellschaft AGR (Abfallgesellschaft Ruhrgebiet) täglich mit Fragen der Energieeffizienz und des Klimaschutzes, um bei der Abfallbehandlung und Deponiegasverwertung möglichst viel CO2 einzusparen.

Wo lagen und liegen die größten Herausforderungen für die Metropole Ruhr bei der ökologischen Transformation?

Eine der größten Besonderheiten in der Region ist mit Sicherheit ihre räumliche Gliederung. Sie besteht aus vielen Städten, Kreisen und Gemeinden, was zu ganz unterschiedlichen Landschaftsbildern und damit auch zu unterschiedlichen Herausforderungen im Hinblick auf den Klimawandel führt. In den Innenstädten ist zum Beispiel das Anlegen von Stadtgrün von zentraler Bedeutung für die kommenden Jahre, um den sogenannten urbanen Hitzeinseleffekt abzumildern. Dieser führt häufig dazu, dass gerade einkommensschwächere Haushalte Hitze und Luftschadstoffen ausgesetzt sind. Dadurch bedingt werden in den kommenden Jahren die gesundheitlichen Risiken steigen und damit auch die soziale Ungleichheit. Hier gilt es gegenzusteuern. In diesem Zusammenhang würde ich deshalb immer von einer sozial-ökologischen Transformation sprechen, die nötig ist.

Mit 53 Städten und Gemeinden existiert im Verbandsgebiet eine komplexe Verwaltungsstruktur. Dies führt dazu, dass einzelne Elemente Grüner Infrastruktur sich in den meisten Fällen über mehrere Kommunen und damit über Stadtgrenzen hinaus erstrecken, was Kooperation und Vernetzung unabdingbar macht. Derzeit vereinbaren wir dazu gemeinsame Ziele und erarbeiten zusammen mit Mitgliedskommunen und Akteur*innen aus regionalen Institutionen, Verbänden und Wirtschaftsunternehmen eine „Strategie Grüne Infrastruktur für die Metropole Ruhr“.

Sie stellen Ihre Mitglieder auch als Impulsgeber auf ein nachhaltiges bzw. umweltfreundliches Wirtschaften ein. Inwiefern sehen Sie sich als „Umdenkerin“?

Das Umdenken, welches auf ganz vielen Ebenen und in der ganzen Region spürbar ist, wenden wir als Planungs- und Umweltverband auf regionaler Ebene an. Wir bündeln vorhandenes Wissen, Expertise und Projektidee und bringen unterschiedlichste Akteur*innen zusammen. Wir sehen uns dabei eher als Motor, der Projekte vorantreibt und ermöglicht. Unter anderem initiieren wir neue Plattformen und Netzwerke, wie beispielsweise das Projektbüro „Hydrogen Metropole Ruhr“ oder die „Klimaneutrale Metropole Ruhr“. Wir entwickeln aber auch ganz neue Angebote, beispielsweise ein Gründach-, oder Solardachkataster für Bürger*innen. In der „Charta Grüne Infrastruktur Metropole Ruhr“ haben sich aktuell die politischen Vertreter*innen der Region einstimmig für einen Wandel hin zu einem regenerativen Wirtschaftsmodell, einer Stärkung der regionalen Produktion sowie für eine nachhaltige Ressourcennutzung ausgesprochen.

Wie betrifft die aktuelle Lage an den Energie- und Rohstoffmärkten das Umdenken im RVR und bei seinen Mitgliedern?

So wie viele andere auch ist der RVR von den Entwicklungen am Energie- und Rohstoffmarkt betroffen. Das fängt an bei steigenden Produktionskosten bis hin zu einer Sensibilisierung der Mitarbeitenden für Energiesparmaßnahmen. Wie wir damit umgehen, zeigt als schönes Beispiel unsere Kampagne „Mission E“, welche Tipps und Aktionen für umweltbewusstes Verhalten bietet. Als Verband wollen wir auch durch Digitalisierung nachhaltiger werden – weg von Papierstapeln und Aktenordnern, hin zu digitalisierten Daten und Prozessen. Darüber hinaus werden aktuell alle RVR-Gebäude auf die Realisierbarkeit von Dach- und Fassadenbegrünung sowie eine energieeffizientere Gebäudeisolierung geprüft. Auf regionaler Ebene zeigt die Krise aber vor allem, dass am Ausbau erneuerbarer Energien spätestens jetzt kein Weg mehr vorbeiführt. Beispiel-Projekte sind Windkrafträder auf ehemaligen Halden, die größte schwimmende Photovoltaik-Anlage Deutschlands auf dem Silbersee III in Haltern bis hin zur Energieberatung für Bürger*innen.

Lohnt sich finanziell gesehen das umweltfreundliche Wirtschaften bereits für Unternehmen in der Metropole Ruhr? Oder ist das noch eher ein strategisches Projekt?

Ein unbegrenztes Wirtschaftswachstum ohne Rücksicht auf Mensch, Umwelt und Natur wird in der Zukunft ohnehin nicht mehr funktionieren, sodass die Frage eher lauten sollte, wie sich umwelt- und sozialverträgliches Wirtschaften gestalten lässt, um als Unternehmen langfristig produktiv und erfolgreich zu sein. Der Schutz unserer Umwelt und Wirtschaftswachstum sind keine Gegensätze. Im Gegenteil: Die „Green Economy“ macht naturbasierte Lösungen zum Treiber und zur Bedingung wirtschaftlichen Erfolges. Häufig wird auch vergessen, dass Umweltschutz immer auch den Schutz wertvoller Ressourcen bedeutet und dadurch automatisch Kosteneinsparungen entstehen. Das fängt an bei den Heizkosten und geht bis hin zu einem effizienteren Wareneinkauf. Hinzu kommt: Neben heute messbaren Effekten und Kosten müssen immer auch die sozialen und ökologischen Kosten in der Zukunft mitberechnet werden. Dazu gibt es Studie der OECD zum Klimaschutz mit dem Fazit: „Doing nothing will cost more than acting!“

Seit wann beschäftigen Sie sich im RVR mit Fragen des nachhaltigen Wirtschaftens? Wie kam es dazu? Gab es für Sie persönlich einen bestimmten Moment des Umdenkens?

Der Gründungsgedanke des RVR war zu seiner Zeit in erster Linie der Erhalt und die Pflege von Grün in der Region. Übrigens stammt der Nachhaltigkeitsgedanke ursprünglich aus der Forstwirtschaft. Heute ist für diesen wichtigen Teil unserer Arbeit die Ruhr Grün zuständig, die sich um die Grüne Infrastruktur kümmert. Auch sonst hat sich vieles weiterentwickelt. Die Expertise für die Metropole Ruhr als Wirtschaftsstandort liegt bei unserer Tochtergesellschaft BMR (Business Metropole Ruhr). Dort wurde unter anderem das Netzwerk Greentech.Ruhr gegründet, welches grüne Unternehmen vernetzt und dadurch den Markteintritt erleichtert. Und auch das vom RVR gegründete Netzwerk Klimaneutrale Metropole Ruhr geht den Ansatz des nachhaltigen Wirtschaftens.

Mir persönlich wird immer wieder bewusst, dass sich Wirtschaft und Umweltbelange nicht weiter voneinander trennen lassen. Neben der Etablierung einer Green Economy muss über das reine Wirtschaften hinausgedacht werden. Ein Beispiel hierfür ist das Konzept der Klimaausgleichsmaßnahmen und Ökopunkte bei Bauvorhaben. Das Ziel sollte es sein, bei jeder Entscheidung eine nachhaltige Gestaltung unserer Region mitzudenken.

Welche Standortfaktoren braucht die Green Economy in Ihren Augen? Was kann NRW tun, um Unternehmen Ihrer Region den Umbau zu erleichtern und weiterhin führender (Umwelt)Wirtschaftsstandort zu bleiben?

Als harter Standortfaktor ist aus meiner Sicht die Entwicklung des Arbeitsmarktes entscheidend: Wie bilden wir junge Menschen aus und weiter, um das Interesse und das Know-how für eine Green Economy der Zukunft zu gewährleisten? Und wie können wir ausgebildete Fachkräfte anschließend in der Region halten? Die Metropole Ruhr ist ein einzigartiger Universitätsstandort. Vor diesem Hintergrund sollten Universitätsallianzen ausgebaut und Technologiezentren geschaffen werden, um einen spannenden Einstieg in die Berufswelt zu fördern. Die Ansiedelung von Unternehmen ist dafür natürlich essenziell. So ist die Förderung von Start-ups ein weiterer, wichtiger Ansatz. Durch zusätzliche Fördermaßnahmen können auch Projekte angestoßen und große Investitionen erleichtert werden, etwa um den Ausbau und die Qualifizierung Grüner Infrastruktur zu realisieren oder um landwirtschaftliche Betriebe in Richtung einer ökologischen Landwirtschaft umzubauen.

Daneben gibt es viele weiche Standortfaktoren: Wie gestaltet sich die Lebensqualität der Arbeitnehmer*innen im Ruhrgebiet? Verfügt der Standort über ein attraktives Freizeitangebot und über schnell zugängliche Erholungsorte im Grünen? Gerade das macht deutlich, dass Grüne Infrastruktur im Wettbewerb heutzutage ein nicht zu unterschätzender Faktor für die Standortwahl von Unternehmen darstellt und langfristig Fachkräfte in unserer Region halten kann.

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Das Interview wurde geführt anlässlich der Umweltwirtschaftstage NRW.

Regionalverband Ruhr

Der Regionalverband Ruhr (RVR) mit Sitz in Essen ist eine Körperschaft des Öffentlichen Rechts. Im Zentrum seines gesetzlichen Auftrags steht das Wohl der Metropole Ruhr – als Netzwerker, Koordinator, Impulsgeber, Dienstleister oder Projektträger. Zum Verbandsgebiet zählen die kreisfreien Städte Bochum, Bottrop, Essen, Dortmund, Duisburg, Gelsenkirchen, Hagen, Hamm, Herne, Mülheim a. d. Ruhr, Oberhausen, und die Kreise Recklinghausen, Wesel, Unna sowie der Ennepe-Ruhr-Kreis mit insgesamt rund 5,1 Mio. Einwohnern.

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