Rheinische Ackerbohne e. V. • Linnich-Kofferen

Im Interview: Maria Kremer, Geschäftsführerin

Düsseldorf, 19.11.2022 • Maria Kremer, Geschäftsführerin im Rheinische Ackerbohne e.V., spricht über Eiweiß ohne Gentechnik, Brotbacken mit Bohnen und nachhaltige Landwirtschaft.

Welchen Umweltnutzen versprechen Sie sich von der Arbeit Ihres Vereins, mit welchen Produkte und Dienstleistungen beschäftigen Sie sich?

In unserem Verein engagieren sich rund 50 Landwirte. Gemeinsam versuchen wir, die Rheinische Ackerbohne und ihre vielen guten Eigenschaften wieder bekannter zu machen. Der Hintergrund ist folgender: Deutschland importiert über 90 Prozent des pflanzlichen Eiweißes, größtenteils in Form von gentechnisch verändertem Soja. Wir führen also etwas ein, das wir in Europa nicht anbauen wollen und dürfen. Und das geschieht in so großen Mengen, dass sich der Anbau von heimischen Alternativen kaum lohnt.

In dieser Situation haben wir gesagt, wir nutzen eine alte Pflanze, die hierzulande schon vor über 100 Jahren angebaut wurde. Die Rheinische Ackerbohne ist frei von Gentechnik. Sie enthält ca. 28 Prozent Eiweiß und wächst in unserem Klima viel besser als Soja. Dabei bringt sie als heimische Kulturpflanze viele Vorteile für den Umweltschutz und die Biodiversität mit sich. Sie ist aufgrund ihrer Blühzeiten besonders gut für Wildbienen, Hummeln und andere Insekten. Und als Hülsenfrucht bindet sie in Symbiose mit den Knöllchenbakterien im Boden Stickstoff aus der Luft und muss daher nicht gedüngt werden. In der Fruchtfolge reduziert sie sogar den Bedarf an Mineraldünger für die nachfolgenden Kulturen – wir haben bis zu 8 Prozent mehr Ertrag. Allein dadurch spart die Ackerbohne Emissionen in großen Mengen ein.

Die Ackerbohne kann sehr vielfältig genutzt werden, auch weil sie weniger Fett enthält als Soja. Man kann sie an Hühner, Schweine, Rinder und auch an Fische verfüttern. Auf unserem Hof in Linnich interessieren wir uns aber vor allem für die Humanernährung. Wir haben zum Beispiel angefangen, mit Bäckern zu arbeiten und sie über die Ackerbohne zu informieren: Sie macht das Brot saftiger und ist wegen des hohen Eiweißanteils auch gut verträglich, zum Beispiel für Diabetiker. Für viele Bäcker ist sie erstmal ein neuer Rohstoff, aber wenn sie sich ein wenig damit beschäftigt haben, sind die meisten begeistert. Kein Wunder: Die Ackerbohne ist regionales Superfood. Gut für uns und gut für Umwelt und Klima.

Was verstehen Sie unter der „ökologischen Transformation“ allgemein und in Bezug auf Ihr Anliegen?

Wir möchten dahinkommen, dass wieder mehr regionale Kreisläufe in der Landwirtschaft zum Tragen kommen. Darin sehen wir nur Vorteile: Wir erzeugen weniger Emissionen aufgrund kurzer Transportwege und die Menschen wissen, wo die Produkte herkommen, die sie essen. Und die heimischen Kulturen, die wir anbauen, sind gut für unsere Umwelt und stärken die Biodiversität. Wenn Sie aber wie heute Soja aus Brasilien beziehen, bedeutet das eine Verdopplung der Emissionen, allein durch den langen Transport. Wir wünschen uns hier insgesamt mehr Regionalität. Allerdings muss da auch der Handel mitziehen und stärker als bisher regionale Produkte anbieten. Und letztlich müssen auch die Verbraucherinnen und Verbraucher noch mehr verinnerlichen, dass die günstigeren Produkte eben auch oft zu Produktionsbedingungen entstehen, die wir hierzulande aus guten Gründen nicht wollen. Wir produzieren zum höchsten Standard, aber abgerechnet wird nach Weltmarktpreisen. Das sind Entwicklungen, die einer ökologischen Transformation im Wege stehen.

Sie zielen mit Ihrem Anliegen auf ein nachhaltiges Wirtschaften. Inwiefern sehen Sie sich als Umdenkerin?

Als Landwirtin denken Sie immer in Generationen. Wir wissen, dass wir von unseren Feldern und auch vom Klima abhängig sind. Anders gesagt: Die Natur ist letztlich unser Brötchengeber, deshalb gehen wir schonend mit ihr um. Von daher kann ich das, was wir tun, auch nicht als Umdenken bezeichnen. Wir entwickeln uns immer weiter und nutzen auch neue Möglichkeiten, um besser und schonender zu wirtschaften. In unserem Betrieb arbeiten wir seit sechs Jahren mit GPS-Systemen, um das Ausbringen von Pflanzenschutz zentimetergenau steuern zu können. Wir arbeiten auch mit Bodenuntersuchungen, um genau zu sehen, welche Nährstoffe vorhanden sind und welche unseren Pflanzen fehlen. Und bei alldem denken wir auch an unseren Sohn, der den Betrieb ja einmal übernimmt und dem wir intakte Böden hinterlassen möchten.

Wie betrifft die aktuelle Lage an den Energie- und Rohstoffmärkten das Umdenken in Ihrem Unternehmen bzw. in Bezug auf Ihr Anliegen?

Sehr, denn wir müssen heute weiter vorausdenken als in den vergangenen zehn Jahren. Zum Beispiel müssen wir, wenn wir jetzt einen festen Abnahmepreis für Weizen im nächsten Jahr aushandeln, den dafür benötigten Dünger am besten schon heute kaufen, weil sich die Preisentwicklung nicht absehen lässt. Das bestärkt uns zugleich in unserer Vereinsarbeit für die Ackerbohne, die insgesamt ressourcenschonender angebaut werden kann. Auch das Prinzip der Regionalität wird immer wichtiger.

Lohnt sich wirtschaftlich gesehen das umweltfreundliche Wirtschaften für Ihr Unternehmen? Oder ist das noch eher ein strategisches Projekt?

Als Landwirte arbeiten wir ohnehin etwas anders als die meisten Wirtschaftsbetriebe. Für mich ist das ganz einfach: Um unsere Böden in gutem Zustand zu erhalten, müssen wir bei allem, was wir anbauen, die natürlichen Kreisläufe im Blick behalten. Sie können nicht immer nur Mais anbauen oder Kartoffeln, damit laugen Sie in kürzester Zeit ihre Böden aus. Das ist wie bei einem Menschen, der sich einseitig ernährt.

Deshalb arbeiten wir mit Fruchtfolgen, bei denen wir möglichst unterschiedliche Kulturen anbauen, so dass die Nährstoffe im Boden in einem ausgewogenen Verhältnis bleiben. Die Ackerbohne ist hierfür sehr gut geeignet. Mit Blick auf den Naturschutz ist sie eine wunderbare Kultur für uns Landwirte und deshalb arbeiten wir mit unserem Verein daran, dass sie eben auch als Produkt bekannter wird und eine Nachfrage danach entstehen kann. Das ist nötig, um sie wirtschaftlich anbauen zu können, das ist schließlich in den letzten 30 bis 40 Jahren kaum geschehen. Deshalb entwickeln wir auch Rezepte, um die Ackerbohne als Fleischersatz zu nutzen. Es gibt schon große Hersteller, die vegane Produkte mit Ackerbohne anbieten. Unter dem Strich könnten aber noch weitaus mehr Landwirte diese alte Kultur mit ihren vielen positiven Nebeneffekten anbauen.

Wo lagen und liegen die größten Herausforderungen für Ihr Unternehmen bei der Transformation?

Also die Anforderungen, die Politik und Gesellschaft an uns Landwirte stellen, werden immer komplexer. Zugleich haben die Menschen immer weniger Kontakt zu Landwirten. Mein Eindruck ist, dass die Landwirtschaft deshalb häufig zu negativ dargestellt wird. Für viele von uns hat Nachhaltigkeit einen hohen Stellenwert. Und gerade junge Landwirtinnen und Landwirte haben in den meisten Fällen ein Studium absolviert und wissen sehr genau, was sie tun. Trotzdem haben wir alle mit diesem negativen Bild der Landwirtschaft zu kämpfen. Mit unserem Verein arbeiten wir gezielt dagegen, indem wir zum Beispiel online darüber berichten, was wir tun und wie wir auf den Feldern arbeiten. Wir machen auch Aktionen in Schulen über die Ackerbohne.

Seit wann beschäftigen Sie sich mit Fragen des nachhaltigen Wirtschaftens? Wie kam es dazu? Gab es für Sie persönlich einen bestimmten Moment des Umdenkens?

Wir sind die siebte Generation auf unserem Hof. Wir sind nicht auf den höchsten Gewinn aus, sondern haben die nächste Generation immer mit im Blick. Fehler, die wir heute machen, muss unser Sohn oder seine Kinder einmal ausbaden. Von daher haben wir uns auch in vielen Details verbessert, zum Beispiel indem wir uns durch die Universität Bonn auf Nachhaltigkeit haben zertifizieren lassen. Aber die grundsätzliche Idee einer nachhaltigen Bewirtschaftung verfolgen wir schon immer. Wir liegen übrigens etwa 15 Prozent unter den Emissionen eines durchschnittlichen landwirtschaftlichen Betriebes, und das verdanken wir zu einem großen Teil der Ackerbohne. Weil sie eben keinen Stickstoffdünger benötigt, obwohl sie in der Fruchtfolge nur eine von fünf Kulturen ist.

Welche Standortfaktoren würden einer nachhaltigen und regionalen Landwirtschaft in Ihren Augen helfen? Was kann NRW tun, um den Umbau zu erleichtern?

Wenn ich mir was wünschen dürfte, müsste der Lebensmittelhandel noch mehr darauf verpflichtet werden, Produkte aus der Region zu verwenden. Gut wäre es, wenn die Produkte eine einheitliche Kennzeichnung bekämen, an dem die Verbraucherinnen und Verbraucher auch sehen können: Ist das aus meiner Region, zu welchen Bedingungen wurde es produziert, passt es in die Saison?

Ein zweiter Punkt: In der Nachhaltigkeitsdebatte fehlen mir die Praktiker, wie wir Landwirtinnen und Landwirte. Die normale Landwirtschaft muss hier stärker in den Austausch einbezogen werden, damit die gefundenen Lösungen auch in der Praxis umsetzbar sind. Da sehen wir oft Veranstaltungen, die nur über die Landwirtschaft aber nicht mit den Landwirtinnen und Landwirten reden, vor allem die jüngere Generation sollte hier mehr Gehör finden.

Außerdem finde ich wichtig, dass man schon im Kindergarten damit anfängt, den Kindern Wissen über gesunde und regionale Produkte mitzugeben und sie auch darin bestärkt, nicht jedem Trend hinterherzulaufen. Der Mensch, unser Miteinander und die Achtsamkeit für die Umwelt sollten wieder mehr in den Mittelpunkt kommen.

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Das Interview wurde geführt anlässlich der Umweltwirtschaftstage NRW.

Rheinische Ackerbohne e.V.

Der Verein verfolgt die regionale Vernetzung von Landwirtschaft, Verbraucherschutz, Naturschutz und Vermarktung, um die Rheinische Ackerbohne als gentechnikfreie und regionale Eiweißpflanze mit ihren vielfältigen Vorteilen für Biodiversität und Klima bekannt zu machen. Die Rheinische Ackerbohne kann als vollwertige Alternative importiertes Soja als Futterpflanze und als Lebensmittel ersetzen.

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