Essen/Düsseldorf, 02.12.2024 • Grüne Gründungen versprechen Lösungen für drängende Probleme und bringen attraktive Jobs ins Land. Warum NRW ein idealer Standort für umweltorientierte Unternehmen ist und wie sich die Szene in den letzten Jahren entwickelt hat, darum geht es im Interview mit Dr. Ute Günther. Sie engagiert sich seit 10 Jahren für den erfolgreichen Wettbewerb KUER.NRW und ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied pro Ruhrgebiet e.V. sowie Vorstand Business Angels Deutschland e.V. (BAND).

Grüne Gründungen haben einen besonders langen Atem. Meine These ist: Das liegt an der intrinsischen Motivation.
Dr. Ute Günther, geschäftsführendes Vorstandsmitglied pro Ruhrgebiet e.V.
Vorstand der Business Angels Deutschland e.V. (BAND)
Was verstehen Sie unter dem Begriff grüne Gründungen?
Grüne Start-ups verkörpern die ökologische Wende. Mit ihren Produkten, Technologien und Dienstleistungen bringen sie die Innovationen in den Markt, die für den Umbau der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit dringend gebraucht werden. Dabei verbinden sie Ökologie und Ökonomie. Innovationen in diesen Bereichen werden weltweit dringend benötigt, das ist ein globaler Trend. Nie war das Momentum für grüne Gründungen größer als heute!
Warum zieht Nordrhein-Westfalen so viele grüne Gründerinnen und Gründer an?
NRW ist heute der wichtigste Standort für grüne Gründungen in Deutschland. 30% aller NRW-Gründungen lassen sich den grünen Zukunftsbranchen zuordnen. Das NRW-Umweltministerium hat dafür frühzeitig die Weichen gestellt und im Rahmen der Umweltwirtschaftsstrategie des Landes die branchenspezifische Förderung grüner Gründungen konsequent vorangetrieben und damit bundesweit Pionierarbeit geleistet. Bereits 2014 ging im Auftrag des NRW-Umweltministeriums das Projekt KUER.NRW an den Start. Es adressiert gezielt Gründungen am Standort NRW in den Bereichen Klima, Umwelt, Energieeffizienz und Ressourcenschonung – kurz KUER – und bietet Unterstützung für grüne Gründungen von der ersten Idee bis zum Markteintritt. Das war vor 10 Jahren ein in Deutschland einzigartiges Pilotprojekt. Und dieser Ansatz ist in Nordrhein-Westfalen konsequent fortgesetzt und durch neue Programme ergänzt worden. Durch diese langfristige Strategie sind ein eingespieltes Unterstützungsnetzwerk, etablierte Strukturen und gute Rahmenbedingungen entwickelt worden. Das ist ein Riesenvorteil für das Land.

Welche Herausforderungen erwarten die Gründerinnen und Gründer?
Tatsache ist: Ohne ökologische Transformation kann es nicht gelingen, die Wirtschaft insgesamt resilient und zukunftsorientiert auszurichten. Von daher haben grüne Gründungen einen sehr großen Stellenwert. Wir erleben aber auch, dass grüne Geschäftsideen auf Widerstände treffen, vor allem, wenn nachhaltige Produkte teurer sind als herkömmliche oder gewohnte Verhaltensmuster infrage stellen. Grüne Gründerinnen und Gründer bringen Neues auf den Markt, was die Routinen potenzieller Kundinnen und Kunden manchmal komplett aufbricht. Dann muss seitens der Start-ups zunächst viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit zusammen zu bringen, bleibt eine große Herausforderung.
Hinzu kommt: Für jedes innovative Unternehmen ist eine Frühphasenfinanzierung von zentraler Bedeutung, und da gibt es in NRW leider ein Defizit. Wir benötigen mehr Angel-Investorinnen und -Investoren, die sich für grüne Zukunftsbranchen interessieren und in der frühen Phase, dann wenn das Risiko am größten ist, sich mit Kapital und Know-how an grünen Start-ups beteiligen. Ein weiteres, vermeintlich sehr deutsches Problem ist sicherlich auch die Bürokratie, zum Beispiel beim Beantragen von Förderprogrammen, aber auch bei der Suche nach ersten Referenzaufträgen bei den Kommunen. Aber: Unter dem Strich ist in NRW richtig viel passiert und ich bin zuversichtlich, dass es damit auch weitergeht. Grüne Gründungen sind auf der Agenda der NRW-Politik angekommen.
Wir benötigen mehr Finanzierer, die in der sehr risikoreichen ersten Phase die Gründerinnen und Gründer unterstützen.
Dr. Ute Günther, geschäftsführendes Vorstandsmitglied pro Ruhrgebiet e.V.
Vorstand der Business Angels Deutschland e.V. (BAND)
Welche konkreten Fördermöglichkeiten und Unterstützungsangebote gibt es in NRW für grüne Gründungen?
Zentral sind natürlich zunächst diejenigen, die branchenspezifisch für grüne Gründungen konzipiert sind. Das sind: KUER.NRW, der EFRE-Förderwettbewerb Grüne Gründungen.NRW für die Prototypenentwicklung, aber natürlich auch NRW.SeedCap, ein Beteiligungsprogramm der NRW.BANK mit Sonderkonditionen für grüne Start-ups, weil sie als Deeptech Start-ups in der Regel viel Kapital benötigen. Und dann ganz wichtig: die Netzwerke. Ich denke dabei vor allem an Greentech.Ruhr und an das Kompetenznetzwerk Umweltwirtschaft.NRW. Der Umweltwirtschaftspreis.NRW, um den sich auch grüne Start-ups nach erfolgreicher Einführung ihres Produktes bzw. ihrer Dienstleistung bewerben können, sorgt für Bekanntheit und Sichtbarkeit. Darüber hinaus bietet Nordrhein-Westfalen – von der kommunalen bis zur Landesebene – ein vielfältiges, branchenoffenes Förderangebot für Gründungen und Start-ups. Da möchte ich vor allem das Gründerstipendium NRW erwähnen, aber auch die EXIST- und Transferprogramme an den Hochschulen. Und natürlich lohnt sich für Start-ups immer auch der Blick auf bundesweite Angebote. Drei seien genannt: EXIST – Gründungen aus der Wissenschaft, High-Tech Gründerfonds (HTGF), Frühphasen VC und Business Angels Deutschland (BAND), der Bundesverband der Angels.
Welche regionalen Stärken gibt es in NRW?
In NRW gibt es ein ganzes Bündel von regionalen Stärken, die für junge Unternehmen interessant sind. Wir liegen im Herzen Europas. Wir verfügen über Deutschlands dichteste Hochschullandschaft. Wir haben eine hohe Bevölkerungsdichte, wir haben die Nähe zu Lieferanten, zu Kundinnen, zu Abnehmern. Also NRW ist ein Ort, wo man als Gründerin oder Gründer einen interessanten Markt findet. Dann haben wir die großen Metropolen, in denen sich wichtige Branchen konzentriert haben. Rund um Aachen wird zum Beispiel viel Forschung im Bereich Wasserstoffmobilität mit der RWTH Aachen betrieben, ein großartiger Standort. Dann haben wir in Münster die Batterietechnik. Wir haben rund um Köln die Medien- und Digitalwirtschaft. Die große Zukunftsbranche Medizin und Gesundheit ist stark in der Metropole Ruhr angesiedelt. Und in Düsseldorf haben wir die Finanzwirtschaft. Gründungsteams profieren von dieser geballten Expertise und den branchenspezifischen Netzwerkstrukturen.

Was bedeutet Ihnen die Unterstützung von Gründerinnen und Gründern persönlich?
Mich begeistern die Gründerinnen und Gründer, ihre Energie, Mut und ihr Wissen, wie sie für ihre Ideen brennen. Das klingt banal, weil es alle immer wieder sagen, aber genauso ist es. Spannend finde ich auch, dass ich mit meiner ersten Einschätzung durchaus daneben liegen kann. Gründungen, von denen ich dachte, naja, so aufregend, weltbewegend ist das gar nicht, die fangen plötzlich an zu fliegen. Und es ist einfach eine große Freude, die Entwicklung der Gründungen zu erleben, von der ersten Idee bis zur ersten Finanzierung, wie Arbeitsplätze geschaffen werden und sich Geschäftsmodelle entfalten.
Die Arbeit mit grünen Gründerinnen und Gründer ist auch deshalb so schön und besonders, weil jedes einzelne Start-up mit seiner Geschäftsidee den großen ökologischen Herausforderungen unserer Zeit etwas entgegenzusetzen hat. Auffällig ist, dass grüne Gründungen einen besonders langen Atem haben. Meine These ist: Das liegt an der intrinsischen Motivation. Als grünes Start-up will ich eine begeisternde Geschäftsidee in den Markt bringen und wenigstens ein bisschen die Welt verändern.
Das ist eine der wesentlichen Stützen von KUER, unser Netzwerk an Ehrenamtlichen, sie verdienen unendlich viel Dank.
Dr. Ute Günther, geschäftsführendes Vorstandsmitglied pro Ruhrgebiet e.V.
Vorstand der Business Angels Deutschland e.V. (BAND)
Wie unterstützen die verschiedenen Bausteine von KUER.NRW Gründerinnen und Gründer?
KUER besteht aus vier Modulen. „KUER.NRW Scribble“ adressiert vor allem Hochschulabsolventen. Sie sollen einfach aufschreiben, was für Überlegungen sie bezüglich ihrer Geschäftsidee haben. Und unsere Mentoren oder Spezialistinnen bewerten und hinterfragen dann: Welches Potenzial steckt darin? Was ist stimmig und was muss noch weiter ausgearbeitet und durchdacht werden? Der zweite Baustein ist der „KUER.NRW Businessplan Wettbewerb“. Dieser unterstützt die Teams dabei, einen Strategieplan für ihre Gründung aufzustellen. Denn spätestens bei der Ansprache von Investoren braucht es diesen Plan, wohlwissend, dass er ganz schnell wieder überholt sein wird. Der dritte Baustein, überschrieben mit „KUER.NRW Success“, richtet sich vor allem an Gründerinnen und Gründer in der schwierigen Phase des Markteintritts: Erste Kundinnen und Kunden müssen angesprochen, eine Marketingstrategie aufgebaut, vielleicht die ersten Mitarbeitenden einstellt oder ein geeigneter Standort gesucht werden. Es gibt 1.000 mögliche Probleme für junge Unternehmen. Für viele davon haben wir Spezialisten, Gutachtende, Patentanwälte, Investoren. Also ein ganz großartiges Netzwerk mit allem, was man braucht, um die Teams zu unterstützen. Das ist übrigens eine der wesentlichen Stützen von KUER, unser Netzwerk an Ehrenamtlichen, sie verdienen unendlich viel Dank. Ich bin immer wieder völlig begeistert von der Professionalität und von der Tiefe, mit der sie ins Detail gehen. Der letzte KUER-Baustein ist schließlich die Rubrik „Best Practice“. Denn Erfolgsgeschichten liefern den Beweis, dass es möglich ist, Ökologie und Ökonomie zu verbinden, dass Arbeitsplätze geschaffen werden und dass aus Ideen junge Unternehmen werden und diese wachsen und groß werden.
Übrigens: Im Frühjahr 2024 wurden für die Erstellung des Green Start-up Monitors NRW sechs KUER-Start-ups durch das Borderstep Institut befragt, keines davon älter als zwei Jahre. Wie sich zeigte, haben allein diese sechs KUER-Start-ups inzwischen bereits 78 Arbeitsplätze geschaffen. Das lässt sich doch sehen.
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Das Interview wurde geführt anlässlich der #MeilensteineGreenNRW