12.01.2024 · Minister Oliver Krischer: "Extremes Weihnachtswetter sorgte für eines der schwersten Hochwasser seit Jahrzehnten"
Durch die Entspannung der Wetterlage sind die Pegelstände an den Gewässern in Nordrhein-Westfalen in den letzten Tagen weiter stark gesunken. In der Nacht zu Freitag ist auch der letzte Pegel (Lippe) in Nordrhein-Westfalen unter den Informationswert 1 gefallen und damit unterhalb der letzten Warnstufe, die nur noch ein kleines Hochwasser anzeigt.
"Obwohl es eines der schwersten Hochwasser der letzten Jahrzehnte war, hat Nordrhein-Westfalen das Weihnachtshochwasser glimpflich überstanden. Größere Schäden an Infrastruktur und Gebäuden sind nach ersten Erkenntnissen ausgeblieben, auch die Gefährdung der Bürgerinnen und Bürger konnte durch den Einsatz tausender Einsatzkräfte vermieden werden", sagte Oliver Krischer, Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen.
Minister Krischer dankte in dem Zusammenhang noch einmal den Einsatzkräften von THW, Feuerwehr, DLRG und vielen anderen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, die Weihnachten und das Neujahrfest für den Hochwasserschutz geopfert haben. Minister Krischer: "Auch die Deiche und Schutzanlagen im Lande haben dem Hochwasser Stand gehalten. Allerdings müssen wir auch feststellen: Es gibt hier deutlichen Sanierungsbedarf. Deshalb werden wir unseren eingeschlagenen Weg zur Stärkung des Hochwasserschutzes weiter umsetzen", kündigte Minister Krischer an. "Denn wir haben gesehen, dass wir unser Land gegenüber solchen Naturgewalten stärken müssen. Nordrhein-Westfalen muss klimaresilienter werden. Durch die Klimakrise werden Wetterextreme in Zukunft öfter eintreten. Darauf ist unsere Hochwasserschutz-Infrastruktur teilweise nicht ausgelegt. Hier müssen wir nachbessern. Dabei geht es ausdrücklich nicht nur um Deiche, denn moderner Hochwasserschutz ist und muss viel mehr sein."
Die große Hochwasserlage in Nordrhein-Westfalen wurde vor allem durch die massiven Niederschläge im Dezember ausgelöst. Allein zwischen dem 21.12.2023 und dem 07.01.2024 fielen insbesondere in der Mitte sowie im Norden, Osten und Nord-Osten Nordrhein-Westfalens hohe Niederschlagsmengen von flächendeckend über 100 Millimeter (mm). An einzelnen Niederschlagsmess-Stationen des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) wurden Niederschlagsmengen von über 260 mm gemessen. Die langjährigen mittleren Niederschläge in diesem Zeitraum wurden deutlich überschritten. Die Niederschläge trafen auf bereits gesättigte Böden mit hoher Abflussbereitschaft und führten in der Folge zu Hochwasser insbesondere an Ems, Lippe, Niers, Ruhr und der Weser. Betroffen waren unter anderem auch die Rur und die Sieg mit ihren Einzugsgebieten sowie das Issel-, Berkel- und Vechteeinzugsgebiet.
Hohe Niederschläge in den Einzugsgebieten der Oberweser, in den Quellflüssen Werra und Fulda sowie in den Einzugsgebieten des Ober- und Mittelrheins führten im selben Zeitraum zu einer Hochwasserlage an den nordrhein-westfälischen Gewässerstrecken von Weser und Rhein. Damit waren insgesamt 13 der 17 Einzugsgebiete in Nordrhein-Westfalen von Hochwasser betroffen.
Das Hochwasser war in seiner räumlichen Ausdehnung und seiner zeitlichen Dauer ein außergewöhnliches Ereignis in NRW. An insgesamt acht der 123 Hochwassermeldepegel wurde der höchste Informationswert 3 überschritten (Einzugsgebiet der Ems, Niers und Schwalm, der Lippe- sowie der Weser). An 29 Messstellen wurde maximal der Informationswert 2 und an weiteren 45 Messstellen der Informationswert 1 überschritten. Praktisch überall im Land war zwischen Weihnachten und Neujahr Hochwasser, wenn auch in stark unterschiedlicher Ausprägung.
Die Niederschläge im Dezember sorgten auch dafür, dass das Jahr 2023 nicht nur zu den wärmsten, sondern auch zu den regenreichsten Jahren in Nordrhein-Westfalen seit Aufzeichnungsbeginn 1881 wurde. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) ermittelte für Nordrhein-Westfalen eine durchschnittliche Jahresniederschlagssumme von rund 1198 mm. Minister Krischer: "2023 reiht sich damit in das Jahr der Wetterextreme ein: Es war nicht nur eines der wärmsten Jahre, sondern reiht sich auch durch einen weiteren Negativ-Rekord in die immer länger werdende Jahresreihe mit Wetterextrem ein - die Dürre-Sommer 2018, 2019 und 2022 und die Starkregenereignisse in den Jahren 2014, 2016 und natürlich auch 2021. Die Klimakrise bringt uns immer neue, oft gegensätzliche Wetterextreme. Extrem ist leider das neue Normal."
Hochwasserschutzanlagen
Das schwere Hochwasser hat zu einer starken Beanspruchung der Hochwasserschutzanlagen im Land geführt, die aber ihre Funktion nahezu überall erfüllt haben. An einigen Stellen im Land mussten Deichverteidigungsmaßnahmen vorbereitet oder durchgeführt werden. Zum Teil ist die Situation vor Ort weiter angespannt, da die Deiche durch die langanhaltenden hohen Wasserstände sowie den Dauerregen stark durchnässt sind.
Die Sanierung der Hochwasserschutzanlagen durch die Unterhaltungspflichtigen hat die Landesregierung als Schwerpunktaufgabe im 10-Punkte-Arbeitsplans unter Punkt 4 "Verbesserung des Hochwasserschutzes vor Ort" adressiert. Die Relevanz dieser Schwerpunktaufgabe wurde durch die Hochwasserlage erneut bestätigt. Es zeigt sich aber auch, dass Hochwasserschutzmaßnahmen der Vergangenheit, wie etwa die Schaffung von Überflutungsräumen an der Lippe oder der Niers erfolgreich waren und die Hochwasserlage entspannt haben.
Der nächste Schritt in der Umsetzung dieser Schwerpunktaufgabe ist die Fertigstellung des im Aufbau befindlichen Katasters für Hochwasserschutzanlagen (Deichkataster). In diesem Kataster werden die im Land an unterschiedlichen Stellen vorliegenden Daten zum Zustand und den Eigenschaften der Hochwasserschutzanlagen erstmals zusammengeführt. Mit diesem Kataster ist dann eine flächendeckende detaillierte Übersicht der Hochwasserschutzanlagen, also Deichen und Hochwasserschutzmauern, möglich. Auf Basis der Daten des Deichkatasters soll im darauf aufbauenden Schritt ein Priorisierungskonzept entwickelt werden, in dem die Maßnahmen an den sanierungsbedürftigen Hochwasserschutzanlagen entsprechend eines risikobasierten Vorgehens bewertet werden. Auf dieser Basis können die erforderlichen Ressourcen und Finanzmittel abgeleitet werden.
Talsperren
Anders als während der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 bestand während des Hochwasserereignisses im Dezember 2023 und Januar 2024 zu keinem Zeitpunkt die Besorgnis eines Talsperrenversagens. Die Bauwerkssicherheit war zu jeder Zeit gewährleistet, es sind keine besonderen Vorkommnisse aufgetreten. Bei 15 Talsperren in der Eifel, dem Sauerland, Bergischen und Ostwestfalen-Lippe ist nach Erreichen des Vollstaus die Hochwasserentlastungsanlage während der Hochwasserlage zumindest zeitweise planmäßig betriebsbedingt angesprungen. Trotz dieser insgesamt sehr positiven Wirkung ist bereits im 10-Punkte Arbeitsplan die fortwährende Optimierung der Talsperrensicherheit und des Talsperrenmanagements verankert. Der fortschreitende Klimawandel erhöht die Anforderungen an das Talsperrenmanagement. Während Hochwasserphasen sollen Talsperren ausreichend Wasser zum Schutz der Unterlieger gewähren, wohingegen sie während langanhaltender Trockenphasen ausreichend bevorratetes Wasser u.a. zur Sicherstellung der Trinkwasserversorgung bereithalten sollen.
Verkehrsinfrastruktur
Es gab insgesamt 34 (Teil-)Sperrungen an Bundes- und Landesstraßen in Nordrhein-Westfalen. Davon konnten bereits 22 Einschränkungen wieder aufgehoben werden. Darüber hinaus gab es insgesamt 15 Sperrungen von straßenbegleitenden Radwegen, von denen bereits sieben wieder freigegeben werden konnten (Stand: 11. Januar 2024).
Hochwasserschutz ist Gemeinschaftsaufgabe
Die Landesregierung wird daher den eingeschlagenen Weg zur Stärkung des Hochwasserschutzes weiterverfolgen: Neben der Umsetzung des 10 Punkte-Plans wird die Umsetzung des Deichsanierungsplans am Rhein mit rund 44 Maßnahmen forciert und der in der Vergangenheit festgelegte Zeitplan überarbeitet. Um die Planung und Umsetzung von Deichsanierungen zu beschleunigen, wird weiterhin mehr Personal in der Umweltverwaltung dafür eingestellt. Um Prioritäten bei der Sanierung vorzunehmen, wird der Aufbau eines Deichkatasters weiterverfolgt. Im Kataster selbst werden die im Land an unterschiedlichen Stellen vorliegenden Daten zum Zustand und den Eigenschaften der Hochwasserschutzanlagen erstmals zusammengeführt. "Hochwasserschutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe - Bund, Land, Kommune, Zweckverbände bis hin zu Flächeneigentümerinnen und -eigentümer stehen in der Pflicht. Das Weihnachtshochwasser hat einmal mehr gezeigt, dass die Investition in unsere Deiche eine Investition in den Schutz von Mensch, Umwelt und Infrastruktur darstellt", sagte Minister Krischer.
Weitere Informationen
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Pressemitteilung des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen