10.10.2024 · Herbstsitzung 2024 von Bund und Ländern tagte in Duisburg – Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur, Zukunft der Binnenschifffahrt, Trassenpreise und E-Mobilität im Mittelpunkt
Die Bundesländer haben sich auf der Herbstsitzung der Verkehrsministerkonferenz (VMK) für einen Neustart in der Infrastrukturfinanzierung ausgesprochen. Sie setzen gemeinsam mit der Bundesregierung eine Kommission ein, die zeitnah ein Konzept für einen Investitionsfonds vorlegt. Damit soll insbesondere der Erhalt von Straßen, Schienen und Wasserwegen dauerhaft und verlässlich finanziert werden – statt wie bisher über die jährlichen Haushalte. Die VMK mahnte an, dass ohne den Strategiewechsel weitere Verschlechterungen an der Verkehrsinfrastruktur zu erwarten seien. Die Fachministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren einigten sich in der Sitzung in Duisburg einstimmig auf Eckpunkte für die Errichtung eines milliardenschweren Infrastrukturfonds. Er soll in Form eines Sondervermögens des Bundes ohne Gewinnerzielungsabsicht errichtet und die fortlaufende Finanzierung über Bundeshaushaltsmittel inklusive zweckgebundener Abgaben ermöglicht werden.
„Das Stop-and-Go der jährlichen Haushalte hat in der Vergangenheit zu unnötigen Verzögerungen und Unsicherheiten geführt. Davon wollen wir wegkommen und stattdessen die dringend notwendige Sanierung der Infrastruktur schnell und konsequent finanzieren“, sagte Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) als Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz. „Wir müssen jetzt den Strategiewechsel vornehmen, um den Standort Deutschland zu stärken. Die Menschen und die Unternehmen im Land sind auf eine intakte Verkehrsinfrastruktur angewiesen. Daher bin ich froh, dass sich alle Länder über Parteigrenzen hinweg für die Errichtung eines Infrastrukturfonds ausgesprochen haben. Jetzt ist der Bund am Zug. Denn eines ist klar: Die gewaltigen Herausforderungen, unsere Verkehrsinfrastruktur zukunftsfest zu machen, werden wir nur gemeinsam schaffen.“
Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU), der krankheitsbedingt nicht persönlich an der Tagung teilnehmen konnte, machte deutlich: „Der Einsturz der Carolabrücke in Dresden war ein Warnschuss. Ich hoffe, der Bund hat ihn gehört. Wir brauchen dringend mehr Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur durch den Bund. Es ist ein Armutszeugnis, dass wir nach der entsprechenden Forderung der VMK im April bisher keinen Vorschlag auf den Tisch bekommen haben. Der Bund muss jetzt endlich eine rechtssichere Lösung für einen Infrastrukturfonds vorlegen. Dabei ist mir wichtig, dass wir uns nicht von vorneherein beschränken, zum Beispiel auf die reine Sanierung der Bundesfernstraßeninfrastruktur. Genau wie bei der Schiene muss hier auch Raum für Neubaumaßnahmen sein, zum Beispiel für Lückenschlüsse. Ich plädiere daher für einen möglichst offenen Fonds ohne zu viele detaillierte Vorfestlegungen. Nötig ist darüber hinaus angesichts der Diskussion um steigende Trassenpreise ein schlüssiges Finanzierungskonzept für das gesamte Bahnnetz. Der Bund muss deutlich mehr Geld in die Schieneninfrastruktur stecken und zwar nicht nur in die Hochleistungskorridore, sondern auch in die Fläche."
Petra Berg (SPD), Verkehrsministerin des Saarlands, appellierte an den Bund: „Bundesverkehrsminister Wissing muss seinen Worten nun Taten folgen lassen und die von der VMK ausdrücklich unterstützte Idee eines Verkehrsinfrastrukturfonds konkretisieren, ausgestalten und in der Bundesregierung durchsetzen. Da der Bundesverkehrsminister bisher keine Initiative ergriffen hat, haben die Länder nun beschlossen, eine länderoffenen Kommission unter Einbeziehung des Bundes einzusetzen, die für die kommende Legislaturperiode des Bundestages Vorschläge für ein zukunftsfestes Fondsmodell entwickeln soll. Unsere Straßen, Brücken und Schienen sind die Lebensadern einer leistungs- und wettbewerbsfähigen Wirtschaft sowie Voraussetzung für klimafreundliche Mobilität und die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Um zu verhindern, dass der Zustand der stark sanierungsbedürftigen Verkehrsinfrastruktur immer schlechter wird, brauchen wir so schnell wie möglich einen mutigen und konsequenten Strategiewechsel. Nur ein zukunftsfestes Finanzierungsmodell kann die notwendige Planungssicherheit herstellen und den Ressourcenaufbau in der Bauwirtschaft und bei den Planungsbüros unterstützen.“
Das bestätigt Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) aus Baden-Württemberg: „Eine verlässliche und langfristige Verkehrsfinanzierung ist entscheidend für eine zukunftsfähige Infrastruktur. Insbesondere die Schiene, die einen großen Beitrag zum Klimaschutz leistet, braucht stabile Finanzierungsgrundlagen. Ein Infrastrukturfonds, der unabhängig vom jährlichen Haushalt planbar ist, bietet die nötige Sicherheit."
Kritik an Erhöhung der Trassenpreise
Die Verkehrsministerkonferenz sprach sich außerdem einstimmig gegen die geplanten Erhöhungen der Trassenpreise aus und warnte den Bund vor gravierenden Folgen für alle Bereiche des Schienenverkehrs. Die vorgesehenen drastischen Preiserhöhungen der Deutschen Bahn würden die angespannte Finanzierungssituation im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nochmals erheblich verschärfen. „Eine derart saftige Erhöhung der Schienenmaut bremst die Verkehrswende aus. Dadurch würden wesentliche Teile des Nahverkehrs unattraktiv. Die Konsequenz sind noch mehr Autoverkehr, noch mehr Staus und eine noch schlechtere Klimabilanz des Verkehrs.
Allein für NRW bedeutet eine Erhöhung der Trassenpreise von mehr als 20 Prozent ab 2026 eine Zusatzbelastung im dreistelligen Millionenbereich. Dabei müsste der Bund gerade jetzt Bereitschaft zeigen, über eine auskömmliche Finanzierung des Nahverkehrs zu sprechen“, kritisierte der Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, Nordrhein-Westfalens Ressortchef Oliver Krischer.
Petra Berg (Saarland) betonte: „Die VMK ist sich einig, dass es neben einer zukunftsfähigen Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur auch eine langfristige Finanzierungsperspektive für den ÖPNV geben muss, die sowohl Voraussetzung für den Ausbau- und Modernisierungspakt als auch für den dauerhaften Erfolg des Deutschlandtickets ist. Hier sind zügige Verhandlungen und Entscheidungen gefragt.“
Die Verkehrsministerkonferenz erwartet, dass der Anstieg der Trassenpreise, wie bis 2025 gesetzlich festgelegt, auch ab dem Jahr 2026 auf 1,8 Prozent begrenzt wird. Andernfalls müssten die über den Anstieg von 1,8 Prozent hinausgehende Mehrbelastungen aufgrund höherer Trassenpreise durch eine entsprechende Erhöhung der Regionalisierungsmittel durch den Bund ausgeglichen werden.
Zudem forderten die Ministerinnen, Minister, Senatorinnen und Senatoren, dass die Trassenpreisfinanzierung Anreize zur Verlagerung der Verkehre von der Straße auf die Schiene sowohl für Güter als auch für Personen bietet. Als dauerhafte Lösung muss das Trassenpreissystem grundlegend gesetzlich überarbeitet werden.
Förderung der E-Mobilität
Die Verkehrsministerkonferenz nahm mit Sorge zur Kenntnis, dass der Absatz von Elektroautos in Deutschland stagniert. Dies ist sowohl unter klimapolitischen Gesichtspunkten als auch für die Hersteller, die hohe Investitionen in die E-Mobilität getätigt haben, problematisch. Die Verkehrsministerkonferenz fordert die Bundesregierung daher auf, ein langfristig tragfähiges Modell zur Förderung der Elektromobilität in Deutschland vorzulegen.
Oliver Krischer, VMK-Vorsitzender aus NRW: „Um das Ziel von 15 Millionen E-Fahrzeugen in 2030 zu erreichen, braucht es eine engagierte Politik der Bundesregierung mit steuerlichen Anreizen und klaren Rahmenbedingungen für die Ladeinfrastruktur und keine Ablenkungsdebatten über E-Fuels und keine ständige Infragestellung der Ziele.“
Petra Berg (Saarland) bestärkte: „Für eine zukunftsfähige Elektromobilität hat die VMK ihre Forderungen an den Bund ebenfalls erneuert. Damit wir unser Ziel von bundesweit 15 Millionen Pkw mit elektrischem Antrieb erreichen, brauchen wir ein langfristiges und tragfähiges Modell zur Förderung der Elektromobilität. Nur so können wir unsere klimapolitischen Ziele im Verkehrssektor erreichen und unserer heimischen Automobilindustrie Planungssicherheit geben.
Im ÖPNV und in der Logistik darf der Bund die Länder bei der Umstellung von Bussen und Nutzfahrzeugen auf saubere Antriebstechnologien nicht im Stich lassen. Insbesondere im Angesicht der steigenden Fahrgastzahlen durch das Deutschlandticket brauchen wir ein zunehmend besseres Verkehrsangebot. Da die Verkehrsunternehmen die Umstellung der Busflotten nicht aus eigener Kraft finanzieren können, wird es zwangsläufig zu Einsparungen beim Verkehrsangebot kommen. Das kann nicht im Sinne einer bundesweiten Mobilitätswende sein.“
Darüber hinaus betonte Daniela Schmitt, Ministerin für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, in Rheinland-Pfalz zu den weiteren Ergebnissen: „Mit der Verkehrsministerkonferenz haben wir einen wichtigen Schritt hin zu schnelleren und effizienteren Genehmigungsverfahren für Großraum- und Schwertransporte gemacht. Im Mittelpunkt unserer Beratungen standen die Digitalisierung von Prozessen und die Vereinfachung von Genehmigungsverfahren. Ziel ist es, Logistik und das Transportgewerbe nachhaltig zu entlasten und die Prozesse so zu optimieren, dass die Unternehmen schneller und unbürokratischer agieren können. Die heutigen Beschlüsse sind ein wichtiger Beitrag, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen zu sichern. Insgesamt geht von der Konferenz ein deutliches Signal für die Bedeutung eines ausgewogenen Verkehrsmixes aus – sowohl für die Wirtschaft als auch den Individualverkehr. Deutlich wird das an den Beschlüssen zu Radverkehr und Binnenschifffahrt: Die Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans 2030 muss weiter konsequent vorangetrieben werden, um den Ausbau der Radinfrastruktur zu stärken. Gleichzeitig fordert die Konferenz im Rahmen des Umsetzungsprozesses der Nationalen Hafenstrategie verbindliche Maßnahmen zur Sicherung und Finanzierung der Hafeninfrastruktur, um die Rolle der umweltfreundlichen Binnenschifffahrt langfristig zu gewährleisten."
Weitere Beschlüsse der Verkehrsministerkonferenz in Duisburg:
Stärkung der Binnenschifffahrt
Die Verkehrsministerkonferenz hat die Bedeutung einer leistungsfähigen Binnenschifffahrt und intakter Wasserwirtschaftswege für die Zukunft des Industriestandortes Deutschland betont. Voraussetzung hierfür seien aber verbindliche Konzepte und Instrumente zur bundesseitigen Finanzierung, um eine bedarfsgerechte Bundesförderung für den Erhalt, Ersatz und Neubau der Hafeninfrastruktur in See- und Binnenhäfen zu ermöglichen. Dabei bekräftigen die Fachministerinnen und Fachminister, dass hierfür auch der geplante Verkehrsinfrastrukturfonds ein geeinigtes Finanzierunginstrument sein könnte.
Bessere Ausstattung des ÖPNV
Die Verkehrsministerkonferenz stellt fest, dass bereits zur Sicherung der Bestandsverkehre eine kurzfristige Bereitstellung zusätzlicher Regionalisierungsmittel erforderlich ist. Bereits die vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) beauftragte Studie „Ermittlung des Finanzbedarfs für den ÖPNV bis 2031“ hat hierfür einen zusätzlichen Finanzierungsbedarf von rund 40 Milliarden Euro ermittelt.
Nahmobilität: Stärkung des Fußverkehrs
Die Länder begrüßen die investive Förderung des Fußverkehrs durch den Bund im Haushalt 2024 und fordern das Bundesverkehrsministerium auf, die Mittel bis mindestens 2028 fortzuführen. Aufgrund der Bedeutung des Fußverkehrs für die Mobilität in Deutschland fordern sie zudem eine Mittelerhöhung und Dynamisierung der entsprechenden Haushaltsmittel.
Fernverkehr: Kritik an Ausdünnung
Die Verkehrsministerkonferenz nimmt mit Sorge Überlegungen der Deutschen Bahn zur Kenntnis, sich aus Gründen der Wirtschaftlichkeit weiter aus dem Flächennetz des Fernverkehrs zurückzuziehen, mit der Absicht, die entsprechenden Linien in das von den Ländern bestellte und finanzierte Netz des Schienenpersonennahverkehrs zu übergeben. Die Verkehrsministerkonferenz fordert den Bund daher auf, seinerseits geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um das Zugangebot im Fernverkehrsnetz im Bestand zu sichern und im Sinne des Deutschlandtakts weiter auszubauen.
Verkehrssicherheit: Maßnahmen auf Landstraßen
Die Verkehrsministerkonferenz sieht weiter Handlungsbedarf bei der Verkehrssicherheit insbesondere auf Landstraßen. Die Zahl der tödlich verunglückten Personen auf Landstraßen stagniere mit rund 1.500 Menschen und damit 60 Prozent der gesamten Verkehrstoten in den vergangenen Jahren auf konstant hohem Niveau. Daher fordern die Länder den Bund auf, die erarbeitete Maßnahmenvorschläge zu prüfen und gemeinsam mit den Ländern Maßnahmen zu entwickeln, durch die die Sicherheit auf den Landstraßen deutlich erhöht werden kann.
Motorradlärm: Kritik an fehlender Umsetzung
Die Länder drängen bei der Belastung durch übermäßigen Motorradlärm weiter auf Maßnahmen durch das Bundesverkehrsministerium. Auf ihrer Herbstsitzung mahnten sie an, dass der Bund weiterhin zweckdienliche, wirksame und nachhaltige Instrumentarien zum Schutz der Bevölkerung nicht umgesetzt habe.
Luftverkehr
Die Länder befürchten, dass ein "Weiter so" des Bundes die Transformation des Luftverkehrs nicht nur verzögert, sondern ernsthaft gefährdet und damit gleichzeitig dem Standort Deutschland – neben den Auswirkungen auf den Klimawandel – auch als Wirtschaftsstandort schadet. Deshalb plädieren sie für einen Ausbau der Förderprogramme für eine klimafreundliche Transformation.
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Pressemitteilung des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen