Dokumentation der Veranstaltung

Forum Umweltwirtschaft.NRW – Der Masterplan für Nordrhein-Westfalen

Am 2. Februar 2017 hat das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MKULNV)* in der Turbinenhalle in Düsseldorf das Konzept "Land der Umweltwirtschaft. Masterplan für Nordrhein-Westfalen" vorgestellt.

In kurzen Talkrunden mit dem Moderator gaben Expertinnen und Experten für die nordrhein-westfälische Umweltwirtschaft Einblicke in die strategischen Ansätze und Maßnahmen des Masterplans. Prof. Dr. Dr. h.c. Ernst-Ulrich von Weizsäcker setzte im Anschluss in einer Keynote Denkanstöße zur Zukunftsfähigkeit der green economy, die daraufhin in einer Diskussionsrunde erörtert wurden. Danach standen Netzwerken und fachlicher Austausch im Mittelpunkt. Am Rande der Veranstaltung waren zudem alle 108 Maßnahmen aus dem Masterplan auf Tafeln ausgestellt.

Johannes Remmel, Umweltminister

Begrüßungsrede: Ein Masterplan für die Umweltwirtschaft in Nordrhein-Westfalen

Der damalige Umweltminister Remmel begrüßte die Gäste und verwies auf den besonderen Ort, an dem die Veranstaltung stattfand – einen Ort, der für sich spreche und das Thema des Abends illustriere. Er lud dazu ein, die Veranstaltung zum Diskutieren, Informieren und Netzwerken zu nutzen.

Minister Remmel blickte zunächst auf den Prozess zurück, aus dem der Masterplan Umweltwirtschaft hervorging. Die Grundlage hierfür bildete der Umweltwirtschaftsbericht NRW, der eine systematische Bestandsaufnahme enthält und im Herbst 2015 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.  Anschließend startete ein Konsultationsprozess mit achtzehn Standort- und Wirtschaftsforen in ganz Nordrhein-Westfalen mit über 800 beteiligten Akteurinnen und Akteuren, in denen Maßnahmen zur Stärkung der nordrhein-westfälischen Umweltwirtschaft diskutiert und erarbeitet worden sind.

Der Minister betonte, dass Nordrhein-Westfalen in der Umweltwirtschaft eine Vorreiterrolle einnehme, da es als erstes Bundesland ein umfangreiches Programm für die Branche aufgelegt habe. Zudem bestätigten aktuelle Zahlen, erhoben von der Prognos AG, dass NRW in der Umweltwirtschaft auf dem richtigen Weg sei und die Zahl der Arbeitsplätze in diesem Bereich kontinuierlich steige.

Remmel sieht das Erreichte als Ansporn, einen Gang höher zu schalten. Es gelte, den Vorsprung zu halten, noch besser zu werden und sich neue Ziele zu setzen. Man müsse vor der Zeit sein, nicht dahinter. Um dies zu gewährleisten, biete NRW ein dichtes Netz an Beratungs- und Unterstützungsleistungen – es handele sich dabei um das größte Förderprogramm des Landes.

Seine Vision sei es, in NRW den Wandel vom Energieland Nummer eins zum Klimaschutzland Nummer eins zu schaffen. Dazu komme man auch an ordnungspolitischen Vorgaben nicht vorbei – so sei beispielsweise der Katalysator nicht eingeführt worden, weil die Automobilindustrie die Idee gehabt hätte, sondern weil es der politische Wille des Gesetzgebers war. Gleiches gelte für politische Konsequenzen aus dem Waldsterben, wodurch die Entwicklung neuer Technologien vorangetrieben worden sei. Und aktuell gäbe es die Bestrebungen, das Kreislaufwirtschaftsgesetz auf sämtliche Wertstoffe auszuweiten. Alle Beispiele lassen deutlich erkennen, dass Normsetzung und die Erschließung neuer Märkte eng zusammenhingen.

Anders als noch vor 20 Jahren sei die Situation heute jedoch eine andere: Die Zeit werde knapp, denn die Klimaziele müssten bis 2050 erreicht werden. Man müsse deshalb schnell handeln und die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Aktuelle Herausforderungen seien vor allem die Systemumstellung der Energieversorgung von zentral auf dezentral und die Umsetzung einer emissionsfreien Mobilität.
Der Minister bekräftigt, dass ihm an der Schaffung langfristiger und verlässlicher Rahmenbedingungen gelegen sei, um Investitionssicherheit zu gewährleisten. Die Umweltwirtschaft habe für die Landesregierung NRW einen sehr hohen Stellenwert, weshalb man den Unternehmen umfangreiche Unterstützungsleistungen biete. Er beendet seine Rede mit dem Appell an die Branche, sich aktiv mit Verbesserungsvorschlägen und Kritik einzubringen.

Kurztalk im Anschluss

Im Anschluss an die Begrüßungsrede stellte der Moderator des Abends, Marcus Bloser, Minister Remmel die Frage, inwieweit die Gefahr bestünde, dass das Thema Umweltwirtschaft nach der Landtagswahl 2017 wieder in der Schublade verschwinde.

Remmel entgegnete, er sei zuversichtlich, dass der Prozess weitergeführt werde, da es inzwischen eine stabile, gewachsenen Community in der Branche gebe. Jedoch könne das Selbstbewusstsein der Branche noch wachsen – mit rund 5 Prozent Anteil an der Wirtschaft Nordrhein-Westfalens sei die Branche durchaus bedeutend. Seine Sorge sei, dass der Blick für notwendige Entscheidungen in der Umweltwirtschaft verloren gehe, da andere Fragen die politische Agenda dominierten. Akut gelte es, Fragen wie die Abkehr von fossilen Brennstoffen oder die Schaffung von Rahmenbedingungen für eine deutliche Reduzierung von Dieselfahrzeugen in den Innenstädten zu schaffen. Auf die Frage, welche Themen Minister Remmel besonders am Herzen lägen, nennt der Umweltminister die „hidden champions“ – kleine Unternehmen, die weitgehend unbekannt, in ihrem Bereich jedoch Weltmarktführer seien. Er wolle außerdem den Innovationsanteil steigern, beispielsweise durch die Vernetzung von Hochschulen und Gründern. So könnten neue „hidden champions“ auf den Weg gebracht werden.

Strategische Ansätze und Maßnahmen zur Stärkung der Umweltwirtschaft in NRW

Innovationen fördern

Einblicke in die Förderangebote des Landes

  • Klaus Baltes (Imagine Engineering GmbH)
  • Alexandra Landsberg (Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen)

 

Alexandra Landsberg, als Stellvertretende Abteilungsleiterin im Umweltministerium des Landes Nordrhein-Westfalen zuständig für Umweltwirtschaft, berichtete, dass in der aktuellen Förderphase bereits rund 260 Millionen Euro in Projekte für Klimaschutz und Umweltwirtschaft geflossen seien. Zudem wies sie auf aktuell laufende Innovationswettbewerbe hin. Auf die Frage des Moderators, wie Unternehmen der Umweltwirtschaft an die Fördergelder gelangen, weist Landsberg auf die Beratung durch die LeitmarktAgentur.NRW hin. Entscheidend für Unternehmen sei nicht, jeden der zahlreichen Fördertöpfe zu kennen – man müsse lediglich wissen, wer einem den Weg zur Förderung weisen könne. Grundsätzlich freue man sich immer über Anträge von Personen, die etwas bewegen wollen – egal aus welcher Region NRWs oder welcher Branche sie stammten.

Diplom-Ingenieur Klaus Baltes, Geschäftsführer der Imagine Engineering GmbH, berichtete anschließend von seinen Erfahrungen mit Förderangeboten des Landes. Mit seinem Unternehmen entwickelt er ein neues, ressourceneffizientes Sterilisiersystem, welches dazu dienen wird, zur hygienischen Sicherheit beim Verpacken von Lebensmitteln oder in der Medizintechnik beizutragen. Er habe auf der Suche nach Fördergeldern von bestehenden Kontakten zu Hochschulen profitiert. So seien zielgerichtete Gespräche mit dem Projektträger ETN am Forschungszentrum Jülich zustande gekommen. Alleine wäre die Imagine Engineering GmbH als KMU nicht in der Lage gewesen, ein Projekt von diesem Ausmaß auf die Beine zu stellen.

Kurztalk: Wie können Gründungen im Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes befördert werden?

  • Marcus Rövekamp (CYRCO GmbH)
  • Dr. Ute Günther (Pro Ruhrgebiet e.V.)
  • Michael Kroheck, Creapaper (Gewinner GreenUpInvest Matching-Event)


Dr. Ute Günther, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des pro Ruhrgebiet e.V., betonte, dass die Finanzierung in der Gründungsphase das A und O sei. Aus diesem Grund werde der Pro Ruhrgebiet e.V. weitere Gründungswettbewerbe für die KUER (Klima, Umwelt, Energieeinsparung und Ressourcenschonung) -Branchen ausrichten. Der neue Wettbewerb KUER fly+grow, der im Januar 2017 gestartet sei, richte sich an Gründer in der Nachgründungsphase. Damit reagiere man auf die Forderung aus dem Umweltwirtschaftsbericht, die Nachgründungsphase stärker in den Fokus zu nehmen. Zugleich berichtete sie von Schwierigkeiten, Investoren für die KUER-Branchen zu begeistern – nach wie vor stehe bei ihnen die Medizintechnik oder die IKT-Branche hoch im Kurs. Mit der Green Start-Up Investment Alliance wolle man gegensteuern und das Vertrauen der Investoren in die KUER-Branchen stärken.

Markus Rövekamp, Unternehmensberater und Geschäftsführer der CYRCO GmbH, legte dar, welche Voraussetzungen ein Gründer mitbringen müsse, um für Investoren interessant zu sein. Zunächst müsse ein Gründer für seine Idee brennen und vollen Einsatz zeigen. Als Business Angel müsse man dann abwägen, ob die Idee zum richtigen Zeitpunkt komme – falls nicht, helfe auch eine gute Idee und grüner Idealismus nicht weiter. Zugleich sei das Team entscheidend, da ein Investor sehr eng mit den Gründern zusammenarbeiten müsse. Sein persönlicher Fokus liege auf Start-ups aus der Energiebranche – hier seien insbesondere Lösungen zur Energieeffizienz sowie zur Energiespeicherung interessant.

Michael Kroheck vom Greentech-Start-up Creapaper berichtete vom GreenUpInvest Matching-Event, das ebenfalls am 2. Februar in Düsseldorf stattfand. Das Event brachte Gründer mit Investoren zusammen, um Wege für Investments bereiten. Creapaper ging dabei als Gewinner hervor – das Unternehmen konnte Investoren überzeugen mit einem neu entwickelten Verfahren, aus Gras Papier herzustellen. In fünfjähriger Arbeit sei dazu ein industrieller Prozess erarbeitet worden, der in großem Rahmen funktioniere und inzwischen patentiert sei.

Marktentwicklung und Internationalisierung

Vorstellung ausgewählter Standortinitiativen der Umweltwirtschaft

  • Jochen Stiebel (Neue Effizienz – Bergische Gesellschaft für Ressourceneffizienz mbH)
  • Jürgen Fischer-Pass (Klimametropole Ruhr 2022)


Jochen Stiebel, Geschäftsführer der Standortinitiative Neue Effizienz – Bergische Gesellschaft für Ressourceneffizienz mbH verdeutlichte die Bedeutung regionaler Netzwerke für Unternehmen der Umweltwirtschaft in der Region. Die Neue Effizienz habe zum Ziel, Wirtschaft, Wissenschaft und Kommunen zusammenzubringen und eine Schnittstelle für die beteiligten Akteure zu bilden. Der Vorteil einer Standortinitiative sei, dass der Druck der anderen Beteiligten helfe, die jeweiligen Aktivitäten aufrecht zu erhalten. Das Bergische Land verfüge mit der Bergischen Universität Wuppertal und dem Wuppertal Institut über Forschungseinrichtungen, von denen die Wirtschaft der Region profitieren könne. Vor der Gründung der Standortinitiative sei der Austausch jedoch begrenzt gewesen. Grundsätzlich habe sich die Initiative seit der Entstehung sehr nachhaltig weiterentwickelt. Für die Zukunft sei es das Ziel, neue Projekte wie das "Innovationsnetzwerk GreenTec" voranzutreiben. Hierbei sollen KMUs Unterstützung bei Produkt- und Dienstleistungsinnovationen für den Klimaschutz erhalten. Im Vordergrund stünden Themen wie Energie, Digitalisierung, Nachhaltige Stadt der Zukunft sowie die Kreislaufwirtschaft.

Jürgen Fischer-Pass von der Klimametropole Ruhr 2022 nannte als primäres Ziel seiner Standortinitiative das Sichtbarmachen der Innovationen der Region. Dazu habe man das Format "Routen der Innovationen – Route der Energie" entwickelt. Unternehmen aus dem Ruhrgebiet, die einen Beitrag zur Energiewende leisten, stellen sich dabei Studenten der technischen- und naturwissenschaftlichen Studiengänge der Universitäten und Fachhochschulen der Region im Rahmen geführter Bustouren vor. Gerade in der traditionellen Industrieregion des Ruhrgebiets stehe man vor der Herausforderung, dass häufig nur über die Risiken und nicht über die Chancen im Bereich der Umweltwirtschaft gesprochen werde. Im Frühjahr 2017 ist zudem eine Route der Umweltwirtschaft gestartet.

Wie können internationale Märkte erschlossen werden?

  • Petra Hemming (Maschinenfabrik Wagner GmbH & Co. KG)
  • Verena Würsig (NRW.BANK)
  • Dr. Esther Dörendahl (Kompetenznetzwerk Umweltwirtschaft.NRW)

 

Petra Hemming, Manager Market Communication bei der Maschinenfabrik Wagner GmbH & Co. KG, begleitete von Beginn an in ihrem Unternehmen die Erschließung neuer Märkte. Die Maschinenfabrik Wagner ist spezialisiert auf die Montage von Windkraftanlagen und bietet dazu eine besondere Verschraubungstechnik. Die Internationalisierung der Maschinenfabrik Wagner sei damals von den Herstellern der Windanlagen angestoßen worden, die explizit darum baten, dass Wagner sie bei internationalen Projekten begleite. Heute habe das Unternehmen Niederlassungen in zahlreichen Ländern und biete dort Serviceleistungen und Ersatzteilmanagement an. Die Produktion erfolge nach wie vor ausschließlich in Nordrhein-Westfalen.

Verena Würsig, Teamleiterin EU- und Außenwirtschaftsförderung bei der NRW.BANK. Die Bank unterstütze die Auslandsaktivitäten kleiner und mittlerer Unternehmen aus NRW unter anderem durch den Bank eigenen NRW.BANK.Auslandskredit. Neben der Finanzierung selbst nehme aber die Beratung der auslandsaktiven Unternehmen eine wichtige Rolle ein. Hier gehe es insbesondere darum, geeignete Angebote zu identifizieren. Hierbei werde auf Förder- und Finanzierungsinstrumente auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene zurückgegriffen. Wie sich Projekte nach der Finanzierung entwickeln, könne die NRW.BANK oftmals jedoch nicht nachverfolgen, da die Sparkassen und Hausbanken bei den reinen Bankinstrumenten in der Regel der unmittelbare Finanzierungskontakt  seien. Aus diesem Grund sei für die NRW.BANK der Austausch mit Netzwerken von großer Bedeutung. So könnten Bedarfe ermittelt, und Angebote entsprechend angepasst werden.

Dr. Esther Dörendahl, Projektleiterin für "Internationale Markterschließung" im Kompetenznetzwerk Umweltwirtschaft.NRW , erläuterte, welche Länder bei der Erschließung neuer Märkte im Bereich der Umweltwirtschaft bei NRW-Unternehmen hoch im Kurs stünden – das seien insbesondere Frankreich, die USA, China und die Niederlande. Allerdings gäbe es auch immer wieder zündende Ideen für spezielle Märkte, die nicht zu den wichtigsten Investitionsländern gehörten. Ziel ihrer Arbeit sei nicht nur, Analysen bereitzustellen, sondern auch die Identifikation der Unternehmen mit ihrer Branche zu fördern. Gerade bei der Internationalisierung sei dies ausschlaggebend. So könnten kleinere Unternehmen gemeinsam mit größeren Playern in neue Märkte vorstoßen (Beispiel Maschinenfabrik Wagner). Deshalb müssten entsprechende Formate zur Vernetzung bereitgestellt werden.

Beratung und Vernetzung

Startschuss des Kompetenznetzwerks Umweltwirtschaft.NRW

  • Johannes Remmel (Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen)
  • Team des Kompetenznetzwerks Umweltwirtschaft.NRW: Dr. Heinrich Herbst (Leitung), Oliver Lühr (Stellvertretung), Jan Nicolai Hennemann, (Innovationsförderung), Dr. Esther Dörendahl (Internationale Märkte), Johannes Auge (Netzwerkaufbau), Marcus Bloser (Kommunikation)

 

Dr. Heinrich Herbst, Leiter des Kompetenznetzwerks Umweltwirtschaft.NRW beschrieb den Zweck des Netzwerks: Es gehe darum, Anbieter von Umwelttechnologien sichtbarer und dadurch erfolgreicher zu machen. Schwerpunkte seien dabei die Förderung von Innovationen sowie die Vernetzung von KMUs, die im besten Falle dazu führen sollte, dass Systemlösungen entstehen können. Außerdem wolle man die Internationalisierung weiter vorantreiben.

Oliver Lühr, stellvertretender Leiter des Kompetenznetzwerks, ergänzte, dass sich das Kompetenznetzwerk Umweltwirtschaft.NRW auch dadurch von bestehenden Netzwerken abgrenze, dass es einen fachübergreifenden Rahmen für Unternehmen der Umweltwirtschaft in NRW bilde. Eine wichtige Rolle des Netzwerks sieht er darin, die großen Trends der Weltwirtschaft im Auge zu behalten, um die Unternehmen entsprechend beraten zu können. Da die Konkurrenz groß sei, dürfe NRW nicht träge werden, um den Vorsprung weiter aufrechtzuerhalten.

Anschließend stellte der Moderator das gesamte Team des Netzwerks sowie die jeweiligen Zuständigkeiten vor. Umweltminister Remmel nahm dem Team anschließend das Versprechen ab, alles für die Mehrung der Zukunftschancen der Umweltwirtschaft in NRW zu tun.

Keynote: Zukunftsfähigkeit der Green Economy

Prof. Dr. Dr. hc. Ernst-Ulrich von Weizsäcker, Ko-Präsident des Club of Rome, Mitglied des International Ressource Panel, UNEP

Von Weizsäcker begann seine Keynote zur Zukunftsfähigkeit der Green Economy mit einer historischen Einordnung, in der er NRW als Pionier der Umweltgesetzgebung und Umwelttechnologie beschrieb. In der Vergangenheit habe der Fokus auf „klassischen Umweltschutzthemen“ wie Luftreinhaltung, Abwasserreinigung, Abfallentsorgung gelegen – diese Aufgaben seien heute weitgehend bewältigt. Die heutigen Herausforderungen lägen im Klimaschutz, der Ressourcenschonung sowie der Wahrung der Biodiversität. Er stellte das Konzept der leeren bzw. vollen Welt von Herman Dalys vor. In der heutigen „vollen Welt“ sei die Ökonomie von der Begrenztheit der Ressourcen bestimmt. Unter diesen Bedingungen sei die Green Economy unverzichtbar.

Von einer solchen Wirtschaftsweise seien wir jedoch noch weit entfernt. Noch immer stünde der Pro-Kopf-Ressourcenverbrauch in direkter Korrelation zum BIP. Von Weizsäcker verwies auf die dringende Notwendigkeit der Entkopplung des Ressourcenverbrauchs von der Wirtschaftsleistung. Ansatzpunkte hierfür sei unter anderem die Steigerung der Metall-Recyclingquoten, die bei zahlreichen Materialien noch nicht einmal ein Prozent betrüge. Er prangerte an, dass Europa von einer funktionsfähigen Kreislaufwirtschaft noch immer weit entfernt sei. Aus diesem Grund sei die EU bei den meisten Metallen zu 100 Prozent importabhängig. Er forderte außerdem, dass sich der Verkauf langlebiger Produkte für Unternehmen endlich lohnen müsse. Im Produktdesign müssten Aspekte wie Lebensdauer, Remanufacturing und die Recyclingfähigkeit der enthaltenen Wertstoffe bereits mitgedacht werden.

Anhand einer Grafik des Global Footprints Network zeigte von Weizsäcker, dass die heutige Welt nicht nachhaltig wirtschaftet. Eine Verfünffachung der Ressourcenproduktivität sei technisch machbar, illustrierte er anhand mehrerer Beispiele (VW Konzeptauto mit einem Verbrauch von 0,9 Liter/100 km, Passivhäuser, LED-Leuchten, städtische Infrastrukturkonzepte etc.). Um die Ressourcenproduktivität langfristig deutlich zu steigern, sei es notwendig, dass sie sich für die Wirtschaft lohne. Dies sei nur durch steigende Energie- und Rohstoffpreise zu erreichen. So zeige sich, dass das Interesse der deutschen Industrie an Effizienzsteigerungen verloren gehe, sobald die Energiepreise fallen. Von Weizsäcker pochte deshalb darauf, dass die Politik dafür zu sorgen habe, dass Energie- und Rohstoffpreise der ökologischen Wahrheit entsprächen. Dies ließe sich durch eine Anhebung der Energie- und Rohstoffpreise parallel zu Effizienzgewinnen erzielen. Diese Mechanik entspreche der Dynamik steigender Arbeitsproduktivität parallel zum Anstieg der Bruttolöhne. Gleichzeitig schlug von Weizsäcker zwei Ansätze zur Abwärtskorrektur vor: einen Sozialtarif für Lebensnotwendiges sowie Aufkommensneutraliät für Industrie/Branchen, angelehnt an das schwedische Modell der NOx-Steuer.

Sein Fazit lautete, dass Europa Vorreiter der Green Economy werden und NRW dabei eine führende Rolle einnehmen könne – dazu müsse von Seiten der Politik jedoch frühzeitig der richtige Rahmen gesetzt werden.

Diskussion: Industriepolitik neu denken? Einfluss von Technologie und Politik auf die Umweltwirtschaft

Moderator Marcus Bloser leitete die erste Diskussionsrunde mit der Frage ein, welche Eindrücke bei den Diskussionsteilnehmern nach der Keynote von Prof. Dr. Dr. hc. Ernst-Ulrich von Weizsäcker besonders im Gedächtnis geblieben seien.

  • Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen
  • Prof. Dr. Dr. hc. Ernst-Ulrich von Weizsäcker, Ko-Präsident des Club of Rome, Mitglied des International Resource Panel, UNEP
  • Dr. Thilo Schaefer, Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.
  • Petra Hemming, Maschinenfabrik Wagner GmbH & Co. KG

Johannes Remmel, Umweltminister

Umweltminister Remmel erinnerte sich insbesondere an den Appell, dass Ressourcenproduktivität bereits beim Produktdesign mitbedacht werden müssen. In diesem Zusammenhang verweist er auf die ecosign/Akademie für Gestaltung in Köln, die sich auf die Lehre von nachhaltigem Design spezialisiert hat. Ziel müsse es sein, die jungen Designer mit Unternehmen der Umweltwirtschaft zu vernetzen, damit aus den Ideen echte Produkte werden. Hinsichtlich der Ausführungen von Weizsäckers zum sinkenden Interesse an Energieeffizienz betonte Remmel, dass sich im Bereich der Energieeffizienzsteigerung die größten Gewinne erwirtschaften ließen. Er stellte die Frage, warum es dennoch in erster Linie Akteure gebe, die Energie verkaufen und nicht einsparen möchten. Es gebe noch keine Marktteilnehmer, die das Potenzial der Energieeffizienzsteigerung in großem Stil erschließen. Im Bereich der Erneuerbaren Energien müssten zudem Marktakteure befördert werden, die ihr eigenes Lobbying betreiben, um ein Gegengewicht zur Stimme der großen Energieversorger zu schaffen.

Dr. Thilo Schaefer, Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.

Dr. Thilo Schaefer, Leiter des Kompetenzfelds Umwelt, Energie, Infrastruktur am Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V., ging auf die Aussage von Weizsäckers ein, dass die Politik bei der Entwicklung der Rohstoffpreise steuernd eingreifen müsse. Er gab zu bedenken, dass die Aufgabe der Politik im Marktdesign und weniger in der klassischen Ordnungspolitik liegen sollte. Gesetze sollten so gemacht werden, dass sie praktische Chancen generieren und keine kontraproduktiven Grenzen einziehen. Hinsichtlich des Energiesektors plädierte er dafür, dass ein Markt geschaffen werden müsse, in dem Erneuerbare Energien ebenso wie fossile Energieträger ihren Platz haben. Nur so könne Versorgungssicherheit gewährleistet werden. Er widersprach von Weizsäcker in dem Punkt, dass sich Unternehmen nur dann bewegten, wenn die Kosten es verlangen. So würden Verbraucher nur dann auf Erneuerbare Energien umsteigen, wenn es günstiger für sie sei. Im Bereich der Kreislaufwirtschaft sah er ebenso wie von Weizsäcker die Chance, die Importabhängigkeit abzubauen. Generell sei es wichtig, der Wirtschaft Impulse zu geben anstatt strikte Regeln aufzustellen. Aus diesem Grund gefalle ihm der Masterplan Umweltwirtschaft gut.

Petra Hemming, Maschinenfabrik Wagner GmbH & Co. KG

Petra Hemming, Manager Market Communication bei der Maschinenfabrik Wagner GmbH & Co. KG, brachte die Perspektive der Realwirtschaft ein und betonte, wie sehr ihr Unternehmen von Vernetzung profitiere. So sei die Präsenz auf Messen, zum Beispiel im Rahmen von Landesgemeinschaftsständen sehr wichtig und effektiv. Gleichzeitig gab sie zu bedenken, dass kleinen Unternehmen in NRW noch stärker unter die Arme gegriffen werden müsse. Sie seien die einzelnen Mosaiksteine, aus denen letztendlich das Gesamtbild der Umweltwirtschaft entstehe.

Prof. Dr. Dr. hc. Ernst-Ulrich von Weizsäcker

Prof. Dr. Dr. hc. Ernst-Ulrich von Weizsäcker zeigte Verständnis für alle geäußerten Meinungen, auch dafür, dass manches politisch schwierig durchzusetzen sei. Die Arbeit eines Intellektuellen bestünde schließlich auch darin, die Politik zu verstehen. Er gab jedoch zu bedenken, dass die industrielle Revolution nicht als Revolution geplant worden sei, sondern aus tausenden von Verbesserungen bestand. Erst aus der Summe habe sich dann die Revolution ergeben. Auf Kritik an seinem Vorstoß, politisch in die Gestaltung der Energiepreise einzugreifen, entgegnete er, dass alle anderen Formen des Marktdesigns auch ihre Berechtigung hätten. Echte Dynamik und Wirksamkeit entstünden jedoch erst, sobald es an die Preise gehe. Der Preis sei das sicherste, deshalb aber auch das unpopulärste Signal. Er sehe schon heute Chancen, mit Energieeffizienz Geld zu verdienen.

In der zweiten Diskussionsrunde stellte Marcus Bloser die Frage ins Zentrum, was Nordrhein-Westfalen aus Sicht der Gesprächsteilnehmer tun müsse, um seinen Platz als Vorreiter der Umweltwirtschaft zu behaupten und welche Rolle hierbei der Masterplan Umweltwirtschaft spielen könne.

Dr. Thilo Schaefer

Dr. Thilo Schaefer stellte die Frage, worin die Vorreiterschaft Nordrhein-Westafelns im Bereich der Umweltwirtschaft bestehen solle. Er sehe als größte Herausforderung einen ganz grundsätzlichen Strukturwandel, den es zu bewältigen gelte, da 95 Prozent der Unternehmen in NRW noch immer „alte“ Geschäftsmodelle verfolgten. Sie müssten mitgenommen und vernetzt werden. Dazu müssten Hindernisse wie beispielsweise bürokratischen Hürden oder hohen Auflagen beseitigt werden. Auch bei der Infrastruktur und der digitalen Vernetzung gebe es Handlungsbedarf. Diese Bereiche seien entscheidend dafür, wo ein Unternehmen die nächste Investition tätige. Zudem müsse Politik Planungssicherheit geben. Unternehmen müssten sich darauf verlassen können, dass die Politik den eingeschlagenen Pfad nicht kurzfristig wieder verlässt.

Petra Hemming

Petra Hemming begrüßte die Initiative der Landesregierung und lobte den Masterplan mit seinen vielfältigen Unterstützungsangeboten für die Wirtschaft. Die Schaffung einer eigenständigen Messe für die Umweltwirtschaft in NRW halte sie persönlich allerdings für nicht unbedingt notwendig. Zwar seien Messeauftritte für kleine Unternehmen wichtig, jedoch seien die bestehenden Angebote bereits ausreichend. Weitere Messen könnten kleine Unternehmen wie die Maschinenfabrik Wagner nicht zusätzlich stemmen.

Prof. Dr. Dr. hc. Ernst-Ulrich von Weizsäcker

Prof. Dr. Dr. hc. Ernst-Ulrich von Weizsäcker ging insbesondere auf den Teilmarkt Landwirtschaft im Masterplan Umweltwirtschaft ein. Er wünsche sich hier, dass die Regierung viel weiter denke. Er gab zu bedenken, dass man auf die Bevölkerung zählen könne, wenn es um Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft gehe (aktuelle Trends bestätigten dies). Die konventionelle Landwirtschaft sei zwar betriebswirtschaftlich höchst rentabel, gleichzeitig aber mit volkswirtschaftlichen Belastungen verbunden.

Umweltminister Johannes Remmel

Umweltminister Remmel betonte, dass die im Masterplan angelegte „Umweltmesse – Standort NRW“ lediglich ein Angebot an die Branche sei. Das Kompetenznetzwerk Umweltwirtschaft.NRW solle dazu in den Austausch mit den Unternehmen gehen. Die geplante Messe passe aus seiner Sicht gut zum Umweltwirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen.

Minister Remmel stimmt Prof. von Weizsäcker zu, dass die bestehende Landwirtschaft in ihrer jetzigen Form nicht zukunftsfähig sei. Die Ernährung sei zu fleischlastig und verursache zu hohe CO2-Emissionen. Mit der aktuell weltweit bewirtschafteten Fläche könne man problemlos 12 Milliarden Menschen satt bekommen. Er gab jedoch zu bedenken, dass Landwirtschaftspolitik in weiten Teilen auf europäischer Ebene gestaltet werde und der Handlungsspielraum der Länder entsprechend beschränkt sei. Er regte eine Kennzeichnung für Fleisch an, die sich an dem bestehenden System für Eier orientiert, um dem Verbraucher eine Entscheidungshilfe zu geben. Das Problem sei aktuell jedoch, dass es keine verlässliche Definition gebe, was nachhaltige Landwirtschaft eigentlich ausmache. Aus diesem Grund gebe es gemeinsam mit der Deutschen Umweltstiftung ein Projekt zur Erarbeitung eines Nachhaltigkeitskodexes für Landwirtschaft. Dieser könne als Grundlage für Maßnahmen im Bereich der Landwirtschaft dienen.

Als Reaktion auf die Kritik von Dr. Schaefer betont Minister Remmel, dass Ordnungspolitik immer beides enthalte – sowohl Marktdesign als auch Ordnungsrecht. Zur geforderten Planungssicherheit für Unternehmen erwiderte er, dass sich die Energiewirtschaft beim Atomausstieg nicht an die politischen Entscheidungen gehalten habe. Die Rahmenbedingungen des Atomausstiegs hätten Planungssicherheit gegeben, wurden von den betroffenen Unternehmen jedoch lange ignoriert. Die Frage nach der Vorreiterschaft Nordrhein-Westfalens beantwortet Herr Remmel mit Verweis auf Standortvorteile wie ein dichtes Netz an Hochschulen und Forschungseinrichtungen, einer hochwertigen Ausbildung sowie der höchsten Energieversorgungssicherheit in ganz Europa.

Ausklang

Zum Abschluss dankte Moderator Marcus Bloser allen Beteiligten und lud die Gäste ein, bei einem keinen Imbiss weiter zu diskutieren, zu netzwerken und sich die Ausstellung anzuschauen: 108 Tafeln, die die 108 Maßnahmen des Masterplans eindrücklich veranschaulichten und auf den Punkt brachten.

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* Das Ministerium trägt seit Juni 2017 die Bezeichnung Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MULNV).