6. April 2016 in Holzwickede

Wirtschaftsforum Energieeffizienz

Das „Wirtschaftsforum Energieeffizienz“ versammelte am 6. April 2016 rund 25 Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung, um mit ihnen die Ergebnisse des Umweltwirtschaftsberichts und die weitere Entwicklung der Energieeffizienzwirtschaft am Standort Nordrhein-Westfalen zu diskutieren. Das Landesumweltministerium hatte in Kooperation mit der EnergieAgentur.NRW nach Holzwickede auf das Firmengelände der Sonepar Deutschland eingeladen.

Dem Wirtschaftsforum vorausgegangenen war die Veröffentlichung des ersten Umweltwirtschaftsberichts für Nordrhein-Westfalen im Sommer 2015. NRW ist bundesweit der größte Anbieter von umweltwirtschaftlichen Produkten und Dienstleistungen, worunter – neben sieben weiteren Teilmärkten – auch die Energieeffizienzwirtschaft gefasst wird. Diesen Vorsprung auszubauen und das Land zum führenden Standort umwelt- und klimaorientierter Wirtschaft und Forschung zu entwickeln, ist das Ziel der Umweltwirtschaftsstrategie, die das nordrhein-westfälische Umweltministerium Mitte vergangenen Jahres auf den Weg gebracht hat. 

Zu Beginn der Veranstaltung begrüßten die Geschäftsführer der Sonepar Deutschland / Region West GmbH Herr Igolf Coers und Herr Jürgen Bartling die Teilnehmenden und stellten ihnen ihr Unternehmen, Weltmarktführer im Elektrogroßhandel, vor. Herr Peter Lückerath (EnergieAgentur.NRW), der die Gesamtmoderation der Veranstaltung übernahm, und Herr Georg Blum (Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz NRW) begrüßten die Teilnehmenden von Seiten der Veranstalter. Georg Blum veranschaulichte den Prozess zur Erarbeitung des Masterplans Umweltwirtschaft. Im Rahmen der Umweltwirtschaftsstrategie ergreift das Umweltministerium Maßnahmen der Wirtschaftsförderung, darunter Effizienzberatung und verstärkte Außenwirtschaftsförderung, Innovations- und Projektförderung sowie die Förderung umweltorientierter Unternehmensgründungen in Nordrhein-Westfalen.

Die Ergebnisse aus dem Umweltwirtschaftsbericht fasste Herr Oliver Lühr (Prognos AG) zusammen und zeigte Herausforderungen und Chancen für den Teilmarkt Energieeffizienz und Energieeinsparung in NRW auf. Mit rund 60.000 Erwerbstätigen ist es der beschäftigungsintensivste Teilmarkt der Umweltwirtschaft, der ein enormes Potenzial insbesondere im Bereich der energetischen Sanierung und Effizienz in energieintensiver Industrie aufweist. Innovationspotenziale bergen insbesondere die digitale Prozesssteuerung, effiziente Elektrotechnik, innovative Dämmstoffe, und auch neue Geschäftsmodelle wie Contracting-Services.
Herr Lückerath stellte Schwerpunkte in der Beratungspraxis der EnergieAgentur.NRW vor. Die EnergieAgentur.NRW ist Ansprechpartner für Unternehmen, Kommunen und Privatleute rund um Energieeffizienz und Erneuerbare Energien. Zu den unternehmensbezogenen Angeboten gehören u.a. die Initialberatung von Unternehmen, Qualifizierungs- und Weiterbildungsangebote, verschiedene Online Tools wie u.a. das Förder.Navi und das Virtuelle Unternehmen,  diverse themenbezogene Beraternetzwerke sowie das Landesnetzwerk Energieeffizienz in Unternehmen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Öffentlichkeitsarbeit und der Organisation von Informationsveranstaltungen, Tagungen, und Fortbildungsformaten.

Stephanus Lintker (EnergieAgentur.NRW) präsentierte darüber hinaus Möglichkeiten für Unternehmen und Hochschulen, über die EnergieAgentur.NRW im Ausland Fuß zu fassen.

Impulsvortrag der DENEFF

Um der anstehenden Diskussion neue Impulse und Ideen zu geben, präsentierte Christian Noll die Arbeit und Ergebnisse der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF). Die Energieeffizienzbranche sei auch im internationalen Vergleich überdurchschnittlich innovationsstark. Die Digitalisierung berge enormes Potenzial: IKT- und Software-Innovationen gehörten zu den wesentlichen technischen Trends, die laut aktuellem Branchenmonitor 2016 den Ausbau von Energieeffizienz in Unternehmen vorantreiben. So wandele sich das Gesicht der Branche: Start-Ups und IKT-Unternehmen drängten in den Markt. Kundenbedürfnisse und politische Rahmenbedingungen haben Energiepreise als wesentliche Markttreiber abgelöst.

Wissenstransfer zwischen Forschung und Wirtschaft

Innerhalb der Diskussion wurde der Wissenstransfer und der Austausch zwischen der Forschung und der ausführenden Wirtschaft von einigen Teilnehmenden als ausbaufähig beschrieben. Oft sei der Markt „blind“ bzw. nicht darüber informiert an welchen neuen Entwicklungen und Innovationen in den Forschungsinstitutionen, Universitäten und Hochschulen geforscht würde. Es sei daher wichtig, die Netzwerkbildung zwischen  Forschung, Produzenten und  Anwendern voranzutreiben. Die DENEFF wies in diesem Zusammenhang auf die Einrichtung einer Geschäftsstelle in NRW hin, um zukünftig mit verstärkten Aktivitäten den vielen Mitgliedsunternehmen in NRW Rechnung zu tragen.

Auch diskutiert wurde in diesem Zusammenhang die Rolle von „Big Data“. Speziell für NRW ausgewertete Zahlen und Fakten zum Teilmarkt könnten Unternehmen helfen, frühzeitig Marktpotenziale zu erkennen und Innovationen voranzutreiben. Mit dem Branchenmonitor der DENEFF besteht auf Bundesebene bereits ein vergleichbares Instrument; es wäre zu überlegen, inwieweit sich Daten speziell für NRW generieren ließen.

Innovationsscreening

Ein anderes mögliches Instrument, um den Austausch zwischen Forschung und Wirtschaft zu fördern, wäre ein branchenabhängiger Innovationsscout. Der Scout hätte die Aufgabe, neue Trends und anwendungsbezogene Innovationen (Gebäude, Produktion) zu erkennen (Innovationsscreening),  diese der jeweiligen relevanten Branche mitzuteilen und den Unternehmen Hilfestellungen im Innovationsprozess zu leisten. Möglicherweise ließe sich diese Funktion an bestehende Strukturen andocken, beispielsweise bei den Referenten für Innovation der IHKen, oder bei den Klimanetzwerkern.

Es wurde auf eine in Kürze startende Veranstaltungsreihe „Innovationsforen“ der Landesregierung in Kooperation mit der Leitmarktagentur.NRW hingewiesen. Im Kreis von Expertinnen und Experten aus Unternehmen, Forschung sowie Behörden soll zu verschiedenen Themen der Umweltwirtschaft der Stand der Technik erfasst und dargestellt, und hieraus Forschungs- und Handlungsbedarfe für NRW abgeleitet werden.

Sichtbarmachen von Innovationen

Erfolgsgeschichten müssten sichtbar gemacht werden und sollten nicht nur Fachleuten sondern auch der breiten Bevölkerung zugänglich sein. Hierfür wäre die Förderung von Demonstrationsprojekten bzw. Leuchtturmprojekten und die Präsentation von Best Practice Beispielen geeignete Instrumente. In einer Sammlung „success stories from NRW“ könnten in kurzen Porträts Hidden Champions oder erfolgreiche Start-ups aus NRW vorgestellt werden. Dem wurde entgegen gehalten, dass bestehende Informationsangebote, wie etwa die Best Practice Datenbank der DENEFF eher wenig durch Unternehmen nachgefragt würden.

Exemplarisch wurde die bereits bestehende Initiative KlimaExpo.NRW genannt. Diese soll das technologische und wirtschaftliche Potenzial Nordrhein-Westfalens im Bereich von Klimaschutztechnologien präsentieren. Sie ist zugleich Leistungsschau und Ideenlabor für den Standort NRW.

Innovationshemmnisse

Innovationsprozesse im Bereich der Energieeffizienz seien branchenübergreifend und daher von besonderer Komplexität. Die jeweiligen Innovationstreiber in den Unternehmen und entlang der Wertschöpfungskette seien ganz unterschiedlich gelagert; es gelte einerseits, die Unternehmen bei ihren individuellen Bedürfnissen abzuholen, und diese andererseits in ein Gesamtkonzept entlang Analyse/Beratung › Dienstleistung › Produkt/Installation einzubetten.

Ein großes Hemmnis bestehe im Zugang zu Fördermitteln, der sich insbesondere für kleinere Projekte als äußerst schwierig gestalte. Es wurde der Wunsch nach steuerlicher Forschungsförderung geäußert. Auch wurde die in Deutschland besonders mangelhafte Bereitstellung von Risikokapital hervorgehoben.

Auch der transdisziplinäre Forschungsansatz, also die integrative Forschung, solle noch ausgebaut werden.

Impulsvortrag Blueway Sonepar

Zum Einstieg in den Workshop beschrieb Christian Teipel (Blueway Sonepar) den Wandel von einem reinen Handelsunternehmen zu einem Anbieter von „integrierten Lösungen“ als Reaktion auf sich ändernde Marktbedingungen. Der Trend geht eindeutig zu ganzheitlichen Angeboten, Stichwort integrale Gebäudeplanung, und der stärkeren Vernetzung der beteiligten Akteure (Gewerke, Berater, Dienstleister, Händler). Sonepar hat dabei das Potenzial digitaler Werkzeuge für Berater der Energiebranche erkannt. Beispielhaft hierfür steht das „Sonepar Eco Network“, eine Expertenplattform der Beraterbranche, die den Erfahrungsaustausch rund um das Thema Energieeffizienz im Fokus hat.

Impulsvortrag KlimaExpo.NRW

Frau Rebekka Loschen (KlimaExpo.NRW) präsentierte die KlimaExpo.NRW, eine Initiative der Landesregierung NRW, die innovative Klimaschutzprojekte auszeichnet. Getreu dem Motto „tue Gutes und rede darüber“  sollen die Projekte der breiten Öffentlichkeit bekannt und vor allem zugänglich bzw. „besuchbar“ gemacht werden.  Die „Schrittmacher“ treten als sog. Testimonials auf, die ihre Projekte im Dauerbetrieb unter Realbedingungen betreiben, und sollen damit letztlich weitere Akteure der Energiebranche inspirieren und motivieren ihrem guten Beispiel zu folgen.

Vernetzte Beratung: vom Berater zum Moderator

Die Diskutanten, die sich mehrheitlich aus Beratern der Energiebranche zusammensetzten, wünschten sich dem Beispiel von Sonepar folgend eine verstärkte Vernetzung untereinander. Gleichzeitig gab es aber auch Bedenken im Hinblick auf Vertraulichkeit und der Weitergabe von Informationen. Nicht jedes Kundenunternehmen sucht den Weg in die Öffentlichkeit, u.a. wegen spezifischer Wettbewerbssituationen. Das „Effizienz-Beratungsnetzwerk Handwerk“ (EBH.NRW), das die EnergieAgentur.NRW  gemeinsam mit der Handwerksoffensive Energieeffizienz und der Efa betreibt wurde beispielhaft benannt, um den Mehrwert der Vernetzung zu verdeutlichen. Insbesondere in puncto „kollegiale Beratung“, d.h. der wechselseitigen (Gruppen-)Beratung unter den Experten, bietet einen großen Nutzen für aktive Teilnehmer. Gleichzeitig fühlen sich die Berater dem Kunden verpflichtet, was ein Hindernis im Informations- und Erfahrungsaustausch sein kann. Gerade der Bereich der Innovationen ist dabei besonders sensibel, weshalb betriebsinternes Wissen vom Unternehmen häufig als Wettbewerbsvorsprung geschützt wird. Dieser Zwiespalt sei aber nicht für alle Branchen gültig und häufig vom Marktvolumen, der Anzahl der Mitbewerber sowie der Nähe zum Endkunden abhängig. Darüber hinaus kann eine verstärkte Zusammenarbeit auch zwischen verschiedenen Akteuren ein Ausweg sein, wenn z.B. ein ausgewiesener Fachberater (z.B. Klima, Druckluft, etc.) mit einem Branchenexperten (z.B. Krankenhaus) zusammenarbeitet. Oder die Vernetzung auf regionaler Ebene, wo ein gewisses Vertrauensverhältnis bereits besteht. In beiden Fällen gilt es, die „richtigen“ Partner zusammenzubringen und sich nicht allein hinter der eigenen Expertise zu verstecken. Hier muss sich die (Berater-)Branche womöglich auf veränderte Anforderungen einstellen: Planer/Berater, Kunden und Handwerker müssen enger verzahnt zusammenarbeiten, weshalb Koordinations- und Moderationsaufgaben wichtiger werden.

Kirchtürme statt Leuchttürme

Insbesondere in der Vernetzung über die Branchen hinweg und zwischen den vielfältigen Beteiligten wird aber auch eine neue Chance gesehen. Im interdisziplinären Zusammenspiel zwischen Anwender, Planer und Ausführenden entstehen die wesentlichen Innovationssprünge (Cross-over). Deswegen plädieren einige Teilnehmer auch für mehr Experimentierfreude in der Branche. Forschungsförderung durch die sogenannten Leuchtturmprojekte wurden von den Teilnehmern als geeignete Möglichkeit gesehen, gute Beispiele zu schaffen und die Durchführbarkeit von Innovationen in der Praxis beweisen zu können. Ein Teilnehmer wies allerdings darauf hin, dass nicht der Leuchtturm die größte „Strahlkraft“ hat, sondern der Kirchturm. Er wies darauf hin, dass das geförderte Projekt möglichst praxistaugliche Innovationen hervorbringen muss, damit es in der Breite in die Anwendung kommt. Dies kann aber nur erfolgen, wenn das Projekt von vornherein nah beim Anwender angesiedelt ist bzw. der Anwender direkt beteiligt ist. Deshalb müssen Projekte, wie der Kirchturm, mitten in der Gesellschaft stehen. Für Berater sei die KlimaExpo.NRW eine brauchbare Anlaufstelle für gute Beispiele und vorbildhafte Energieeffizienzprojekte.