3. Mai 2016 in Bad Oeynhausen

Standortforum Umweltwirtschaft in Ostwestfalen-Lippe

In Bad Oeynhausen fand das Standortforum Umweltwirtschaft der Region Ostwestfalen-Lippe am 3. Mai 2016 statt. Moderatorin Marija Bakker begrüßte die rund 40 Teilnehmenden in den Räumen der Denios AG.

Hausherr Helmut Dennig (Vorstandsvorsitzender Denios AG) präsentierte sein Unternehmen und betonte in seinem Vortag den Schutz der natürlichen Ressourcen als gemeinsame Aufgabe der Wirtschaft. Mit der modernen Technik ergebe sich die Verpflichtung, umweltfreundlich zu denken und zu wirtschaften. Alexandra Landsberg (Stellvertretende Abteilungsleiterin MKULNV NRW) stellte von Seiten des Umweltministeriums den Prozess zur Erarbeitung des Masterplans Umweltwirtschaft vor. Sie forderte die Teilnehmenden auf, in den Workshops Ideen einzubringen und Forderungen an die Landesregierung zu adressieren. Klaus Meyer (Geschäftsführer Energie Impuls OWL e.V.) verwies auf die transdisziplinäre Ausrichtung der Querschnittsbranche Umweltwirtschaft und unterstrich die Stärke der verschiedenen Teilmärkte in Ostwestfalen-Lippe. Jannis Lambert (Berater Prognos AG) präsentierte im Anschluss den Umweltwirtschaftsbericht sowie Ergebnisse und Handlungsansätze für die Region Ostwestfalen-Lippe.

Diskussion: Umweltwirtschaft NRW – Chancen für OWL

In der anschließenden Diskussionsrunde erörterten Dr. Friedrich-Wilhelm Hillbrand (Vorsitzender des Umweltausschusses IHK Ostwestfalen zu Bielefeld & Geschäftsführer Hillenergy), Roland Draier (Geschäftsführer topocare GmbH), Prof. Dr. Eva Schwenzfeier-Hellkamp (Fachgebietsleitung Ingenieurwissenschaften und Mathematik Fachhochschule Bielefeld), Alexandra Landsberg (stellvertretende Abteilungsleiterin MKULNV) und Jannis Lambert (Berater Prognos AG) mit Moderatorin Marija Bakker, wie die Region Ostwestfalen-Lippe an den Chancen der Umwelttechnologien partizipieren kann.

Alexandra Landsberg stellte zu Beginn fest, dass es Zeit und Überzeugungsarbeit benötige, die Umweltwirtschaft als eigenständige Branche zu etablieren und wahrzunehmen. Sie lud die anwesenden Unternehmensvertreter ein, den Weg dorthin gemeinsam zu gehen und Unterstützungsbedarfe frühzeitig zu benennen. Rückmeldungen aller Art von Seiten der Unternehmen sind eine wichtige Grundlage für die Arbeit des Ministeriums und die thematische Ausrichtung der Maßnahmen zur Förderung der Umweltwirtschaft an die Stärken und Potenziale der Region.

Roland Dreier (topocare GmbH) nannte die Förderung von Pilotprojekten als wesentlichen Antriebsfaktor für Innovationen. Die Umsetzung scheitere jedoch in der Praxis oft an bürokratischen Hürden.
Darauf bezugnehmend beleuchtete Alexandra Landsberg den fördertechnischen Rahmen und konkrete Maßnahmen zur Unterstützung der Umweltwirtschaft. Auch habe der ordnungspolitische Rahmen bereits heute zur Entstehung neuer Märkte beigetragen. Allerdings sei darauf zu achten, dass der ordnungspolitische Rahmen Innovationen fördert und nicht durch einen hohen Bürokratieaufwand verlangsamt. Beispielsweise wurde die aktuelle EFRE-Förderperiode durch die Verschlankung von Vorgängen effizienter gestaltet, z.B. durch Vereinfachungen bei der Rechnungslegung.

Dr. Friedrich-Wilhelm Hillbrand (IHK Ostwestfalen zu Bielefeld & Geschäftsführer Hillenergy) unterstrich die gute Unternehmenslandschaft im Bereich der Umweltwirtschaft. Die Region böte nicht zuletzt seinem Unternehmen, das sich auf die Versorgung mit regenerativen Energien spezialisiert hat, ideale Standortvoraussetzungen.

Prof. Dr. Eva Schwenzfeier-Hellkamp (Fachhochschule Bielefeld) betonte ebenfalls die vorhandenen Stärken der Region. Die Unternehmen seien sowohl untereinander als auch mit den Hochschulen gut vernetzt, was auch von den Podiumsteilnehmern so wahrgenommen wurde.

Im Anschluss diskutierten die Teilnehmenden in vier Workshops zu für die Region wichtigen Schwerpunktthemen und erarbeiteten Handlungsempfehlungen, wie die Umweltwirtschaft in der Region unterstützt werden kann.

Der Workshop zur Erschließung internationaler Märkte wurde durch einen Impulsvortrag von Joachim Voigt (Vertriebsleitung Sokratherm GmbH) eingeleitet. Er veranschaulichte am Beispiel der Sokratherm GmbH, wie ein Einstieg in ausländische Märkte aussehen kann.

Keine Blaupause

Im Nachgang des Impulsvortrages diskutierte man über Maßnahmen zur Erschließung ausländischer Märkte insbesondere für KMUs. Es wurde deutlich, dass keine Blaupause für das korrekte und erfolgversprechendste Vorgehen existiert. Dennoch konnten einige Handlungsansätze identifiziert werden. Beispielsweise sind ausreichende Informationen über den potentiellen Exportmarkt – insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen – eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Internationalisierungsstrategie. Um das Marktpotenzial eines Landes oder einer Absatzregion im Ausland einschätzen zu können, müssen vorab Informationen über die länderspezifischen Strukturen, die besonderen Verhältnisse vor Ort und die regionalen Wirtschaftsförderungsmöglichkeiten vorhanden sein. Hier können externe Berater oder Außenwirtschaftsexperten der IHKs wichtige Hilfestellungen anbieten.

Orientierung bei Fördermöglichkeiten

Aufgrund der zahlreichen, auf den Ebenen von Bund und Land vorhandenen Fördermöglichkeiten, wurde ein Bedarf an einer Zusammenschau dieser Angebote geäußert. Darüber hinaus würden häufige Änderungen von Förderbedingungen den Unternehmen erschweren, langfristige Investitionen in ausländische Märkte zu tätigen. Auch wenn jedes Unternehmen die für sich passende Methodik zur Erschließung neuer Märkte entwickeln muss, wünschten sich viele Teilnehmende aktuelle und gebündelte Informationsangebote, sowohl zu regionalen Gegebenheiten vor Ort, als auch zu Förderungsmöglichkeiten durch einen zentralen Akteur.

Vom Ende der Wertschöpfungskette denken

Am Beispiel eines Joghurtbechers verdeutlichte ein Teilnehmer die Herausforderungen, die von bestimmten Verpackungsdesigns ausgehen. Papiermanschette, Aluminiumdeckel und Plastikkörper müssten getrennt voneinander entsorgt werden, was für den Endverbraucher einen hohen Aufwand und logistische Herausforderungen bedeutet. In der Praxis würde der Becher wohl komplett entsorgt. Dem Verbraucher müsse es aber am Ende so einfach wie möglich gemacht werden.

Auch gelte es, Entwickler von Produkt- und Verpackungsdesign viel mehr mit der Entsorgungsbranche in Kontakt zu bringen. Es müsse schon lange vor der Produktion vom Ende der Wertschöpfungskette gedacht werden.

Die Entsorgung und die ganzheitliche Materialverwendung sollten in den jeweiligen Studiengängen und Lehrplänen eine größere Rolle spielen. So könnten beispielsweise Studierende, aber auch Schülerinnen und Schüler Recyclinganlagen besuchen und damit an die Thematik herangeführt werden. Auch könnte das Cradle-to-Cradle-Konzept, ins Deutsche übersetzt: „Von der Wiege zur Wiege“, stärker in den Lehrplänen verankert werden. Im Kern dieses Konzeptes steht ein Denken in kompletten Produktkreisläufen, um auf diese Art erst gar keinen Müll im herkömmlichen Sinn entstehen zu lassen.

Praxissemester integrieren

Es wurde gefordert, die Studiengänge generell offener und interdisziplinärer aufzubauen. Das Duale Studium sei als Instrument grundsätzlich geeignet, müsse aber noch ausgebaut werden und auch gegenüber kleineren Unternehmen geöffnet werden. Praxissemester und Forschungssemester seien darüber hinaus eine geeignete Möglichkeit, um die Theorie mit der Wirklichkeit in den Unternehmen zu verknüpfen. Auch der Austausch der Disziplinen untereinander sollte gefördert werden. Die Moderatorin dieses Workshops Prof. Dr. Eva Schwenzfeier-Hellkamp von der FH Bielefeld wies in diesem Zuge auf die Diskrepanz zwischen einer kurzen Studiendauer und dem Sammeln von Erfahrungen außerhalb der Hochschule hin. Hochschulen erhalten Prämien für Studierende, die ihren Abschluss innerhalb der Regelstudienzeit machen, jedoch nicht für Studenten, die Praktika und Auslandsaufenthalte ablegen.

Laborgutscheine

Am Beispiel des Zugangs zu einem Wellenkanaltestzentrum thematisierte ein Teilnehmer, die fehlende Möglichkeit als junges Unternehmen eigene innovative Produkte auf seine Eigenschaften hin zu prüfen. Die Hochschulen, die die Instrumente und Labore vorrätig hätten, wären selten bereit, ihre Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Die Moderatorin Prof. Dr. Eva Schwenzfeier-Hellkamp begründete die verhaltenden Reaktionen der Hochschulen mit noch ungeklärten versicherungstechnischen Fragen. Häufig seien Geräte im Schadensfall schlicht nicht versichert. Der Teilnehmer schlug als Lösung vor, Gutscheine zur Nutzung von universitären Laboren für innovative Unternehmen bereitzustellen. Die Landesregierung könnte hier als Mittlerin auftreten.

Bürokratische Hürden abbauen

Die Teilnehmenden sahen Entwicklungsbedarf im Umgang mit und in der Akzeptanz von innovativen Produkten und Dienstleistungen bei Auftraggebern aus dem öffentlichen Sektor. Viele dieser Produkte und Dienstleistungen seien noch nicht lange auf dem Markt etabliert und würden nicht über entsprechende Zertifizierungen verfügen, was das geringe Interesse öffentlicher Auftraggeber erklären würde. Dagegen präferieren öffentliche Auftraggeber aus Sicht der Teilnehmer oftmals etablierte, konservative Lösungen. Aufgrund der großen Marktmacht, die von den öffentlichen Auftraggebern ausgehe, benachteilige dies Anbieter von innovativen Lösungen strukturell. Ein möglicher Lösungsansatz liege in der Unterstützung der Anbieter von innovativen Lösungen bei der Vermarktung und Marktdurchdringung sowie in Normungs- und Zertifizierungsprozessen.

Neue Formen der Förderung von Start-ups

Ebenfalls bemängelten die Teilnehmer fehlende Informationen über staatliche Förderprogramme. Viele Unternehmen seien sich über mögliche Fördermittel nicht im Klaren und wünschten sich diesbezüglich mehr Unterstützung von Seiten des Landes. Auch im speziellen Fall des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) äußerten die Teilnehmenden den Wunsch mehr Klarheit über Förderkriterien zu erhalten sowie welche Ansprechpartner inhaltlich zur Verfügung stehen.

Des Weiteren sahen die Gäste des Workshops Handlungsbedarf in der finanziellen Förderung von Start-ups. In dem konkreten Fall eines Teilnehmers wurde bemängelt, dass häufig nur Unternehmen, die bereits am Markt etabliert seien, Aussichten auf eine Förderung hätten. Neu gegründete Unternehmen gingen oft leer aus. Als möglicher Lösungsansatz wurde gefordert, dass Start-ups durch die Landesregierung oder Investoren abgesichert werden könnten. Dies könnte in Form einer Bürgschaft oder einer Patronatserklärung stattfinden.

Netzwerke im ländlichen Raum stärker ausbauen

Zum Schluss wurde das starke Firmennetzwerk gelobt, das sich in der Region Ostwestfalen-Lippe intensiv untereinander austauscht. In diesem Zusammenhang wurde eine Fortführung der Veranstaltungsreihe gewünscht.

„Wie aktivieren wir die besten Fachkräfte für die Umweltwirtschaft in OWL?“ – diese Frage wurde unter der Leitung von Klaus Meyer (Energie Impuls OWL) diskutiert. Dabei ging es insbesondere darum, gemeinsam Ideen zu entwickeln, um einerseits neue Fachkräfte nach OWL zu holen, als auch vorhandene Arbeitskräfte in der Region zu halten und gleichzeitig die Attraktivität von OWL zu stärken, um nicht nur die einzelne Arbeitskraft, sondern auch die Familien zu binden.

Weniger bürokratische Hürden und eine integrierte Ausbildung

Aktuell sollte es für Unternehmen leichter sein, Menschen mit noch nicht geklärten Aufenthaltsperspektiven zu beschäftigen und ihnen Qualifizierungsmöglichkeiten zu bieten. Hier bestünde ein großes Potenzial an motivierten und gut ausgebildeten Kräften. Gleichzeitig sollte stärker auf eine duale Ausbildung gesetzt werden, die interdisziplinär angelegt ist und nicht nur „Fachspezialisten“ hervorbringt. Das erleichtere den späteren Einsatz der Auszubildenden im Unternehmen. Mitarbeiter, die bereits im Unternehmen sind, sollten gezielt weiterentwickelt und gefördert werden. Altersgemischte Teams und die Gewährleistung eines stetigen Wissenstransfers durch Mentorenprogramme, wurden hier als wichtige Maßnahmen genannt.

Zeitgemäße Ansprache von Fachkräften

Generell sei festzustellen, dass Unternehmen sich zunehmend auf der Bewerberseite befinden: Sie können nicht länger aus einem großen Pool an qualifizierten Bewerbern auswählen, sondern müssen sich aktiv um diese bemühen. In diesem Zusammenhang sei ein Mangel an Fachkräften mit nicht akademischen Bildungsabschlüssen zu verzeichnen.

Dabei spielt das Außenbild eines Unternehmens als attraktiver Arbeitgeber eine besondere Rolle. Dieser Tatsache müssen sich Unternehmen in OWL stärker bewusst werden. Denn um Fachkräfte von sich zu überzeugen, sollten Unternehmen mehr bieten als ein gutes Gehalt, geregelte Arbeitszeiten und ausreichend Urlaubstage. Insbesondere der jüngeren Generation sei es wichtig, einen Sinn hinter ihrer Arbeit zu erkennen.

Die Umweltwirtschaft kann diese Sinnhaftigkeit bieten und die Arbeit in einen breiteren Kontext setzen, wie beispielsweise der Energiewende oder des globalen Umweltschutzes. Gleichzeitig sollten Unternehmen offen sein für weitere Ideen und Innovationen, die neue Fachkräfte ins Unternehmen bringen. Dies betrifft insbesondere die Offenheit gegenüber digitalen Lösungsansätzen und Methoden. Die Chance zur tatsächlichen Partizipation in einem Unternehmen, macht es für Fachkräfte attraktiv. Darüber hinaus sollten Unternehmen offen sein für Lebenswege von Bewerberinnen und Bewerbern, die bisher nicht gradlinig verliefen, sondern u.a. ausreichend Zeit für Studium, Praktika,  Auslandssemester oder einen Blick auf einen anderen Arbeitsmarktbereich beinhalten. Nur mit dieser veränderten Sichtweise kann es gelingen, interessante, qualifizierte und neugierige Menschen zu gewinnen.

Profil der Umweltwirtschaft stärken

Um die Sinnhaftigkeit der Umweltwirtschaft gut vermitteln zu können, muss klarer werden, welche Tätigkeiten und Inhalte sich hinter dem Begriff Umweltwirtschaft vergeben und welche Branchen- und Tätigkeitsvielfalt sie bietet. Nur so könne eine „Geschichte“ erzählt werden, die Fachkräfte anzieht und motiviert. Eine OWL-, oder gar landesweite Kampagne, unterstützt von der Landesregierung – könnte hier einen wichtigen Beitrag leisten. Best-Practice-Beispiele und innovative Unternehmen könnten in der Kampagne noch vorne gestellt werden.

Gemeinsame Diskussion und Aussicht

Abschließend wurden alle Ergebnisse der vier Workshops im Plenum vorgestellt und diskutiert. Bekräftigt wurde der Wunsch nach „Scouts“ im sogenannten „Förderprogramm-Dschungel“. Das Land NRW stellt Unternehmen zahlreiche Förderangebote zur Verfügung – diese müssten bloß besser verständlich und zugänglich gemacht werden.

Auch im Bereich der Hochschullandschaft wurde der finanzielle Aspekt angesprochen. Eine bessere finanzielle Förderung sowie eine Vernetzung der Hochschulen untereinander als auch mit Unternehmen würde eine effizientere Forschung ermöglichen.