24. Mai 2016 in Münster

Standortforum Umweltwirtschaft in der Region Münsterland

Am 24.05.2016 fand in Münster das Standortforum Umweltwirtschaft der Region Münsterland statt. Dr. Gerhard Hörpel (Direktor MEET, Münster Electrochemical Energy Technology) begrüßte die rund 50 Teilnehmenden im Batteriespeicherzentrum MEET der WWU Münster. Dort arbeitet ein internationales Team aus rund 150 Wissenschaftlern in der Forschung und Entwicklung innovativer elektrochemischer Energiespeicher. Ziel ist, die Batterie für den Einsatz in Elektroautos und stationären Energiespeicher-Systemen zu verbessern.

Die weiteren Begrüßungsworte richteten Klaus Ehling (Vorstand Münsterland e.V.) und Dr. Georgios Papanikolaou (Referent, MKULNV NRW) an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Herr Ehling hob besonders die Bedeutung des Münsterlands als wirtschaftlich dynamische Region für NRW hervor. Dr. Papanikolaou erläuterte die Bedeutung der Standortforen für die Erarbeitung des Masterplans Umweltwirtschaft. Das Ministerium wird auf Grundlage eines offenen Konsultationsverfahrens einen Masterplan für die Umweltwirtschaft in Nordrhein-Westfalen erarbeiten, der gemeinsam mit den Akteuren vor Ort im Rahmen der Umweltwirtschaftsstrategie umgesetzt werden soll.

Anschließend stellte Oliver Lühr (Principal, Prognos AG) die zentralen Ergebnisse des Umweltwirtschaftsberichts NRW für die Region Münsterland vor. In seinem Vortrag ging Herr Lühr besonders auf die drei Teilmärkte mit der höchsten regionalen Präsenz im Münsterland ein: Energieeffizienz und Energieeinsparung; Materialien, Materialeffizienz und Ressourcenwirtschaft sowie Umweltfreundliche Energiewandlung, -transport und -speicherung. Die Zahlen unterstreichen die positive Entwicklung der Region für den erfassten Zeitraum von 2009 bis 2012. Der mit der Umweltwirtschaft erzielte Umsatz im Münsterland entwickelte sich in diesem Zeitraum mit 20,3% deutlich dynamischer als im landesweiten Durchschnitts Nordrhein-Westfalens (15,6%).

 

Über das Potenzial der Umweltwirtschaft und die Rolle des Gesetzgebers sprach Christian Grotholt (CEO, 2G Energy) in seiner Keynote. 2G Energy ist Anbieter von Blockheizkraftwerken zur dezentralen Energieversorgung mittels Kraft-Wärme-Kopplung. Herr Grotholt betonte die Bedeutung politischer Rahmenbedingungen für das Wirtschaftswachstum in der Umweltbranche. Als Beispiele hierfür nannte er das Schengen-Abkommen, aber auch das EEG, das er als „Jobmaschine“ bezeichnete. Die gut ausgebildeten Fachkräfte seien das Fundament der Region Münsterland. Zentral für die Region müsse es sein, diese langfristig in den Unternehmen der Region zu halten. In diesem Zusammenhang machte er sich für die Stärkung des dualen Ausbildungssystems stark, welches zugleich ein Erfolgsmodell und Glücksfall für die deutsche Wirtschaft sei. Abschließend ermutigte Grotholt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer darin, die derzeitigen Fragestellungen frei von emotionalen und ideologischen Schranken anzugehen. Die eigentlichen Innovationen entstünden dann, wenn man – frei nach Immanuel Kant – den Mut habe, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen.

Workshops

Nach dem vielseitigen Input gingen die Teilnehmenden in drei verschiedene Workshops, um Handlungsansätze und -empfehlungen gemeinsam zu erarbeiten und zu diskutieren.

Der Workshop zum Thema „Nachhaltige Ressourcenwirtschaft“ wurde von Prof. Dr. Christof Wetter, (Fachgebietsleiter Energie, Gebäude, Umwelt, Abwassertechnik & Gewässerreinhaltung der Fachhochschule Münster) moderiert.

Das cradle-to-cradle-Prinzip nutzen

Als bedeutende soziale Innovation wurde das Leitbild „in Nutzen zu denken“ gesehen. In diesem Zusammenhang wurde ein Umdenken in den Köpfen der Gesellschaft gefordert. Den Begriff „Abfall“ solle es eines Tages am besten nicht mehr geben. Es müsse angestrebt werden, alle Produkte nach dem cradle-to-cradle-Prinzip wiederzuverwerten. Nachhaltige Ressourcenwirtschaft fange bei der Auswahl der zu verarbeiteten Materialien an (zum Beispiel durch Verwendung nachwachsender Rohstoffe). Auch der Aspekt der Lebensdauer eines Produkts nehme momentan häufig einen zu geringen Stellenwert bei der Produktion ein. Um diese Ziele umzusetzen, solle vor allem der Wissenstransfer zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Bildung genutzt und weiter ausgebaut werden.

Förderung von Leuchtturmprojekten

Eine Möglichkeit zur verstärkten Internationalisierung der Umweltwirtschaftsbranche des Münsterlandes sahen die Teilnehmenden in der Förderung von Leuchtturmprojekten in NRW. Leuchtturmprojekte könnten international als Referenz verwendet werden, da sie die Umsetzbarkeit eines Projekts in der Praxis demonstrieren würden.

Vernetzungsberatung ausbauen

Im Bereich der Beratung und Vernetzung wurde festgehalten, dass die verschiedenen Teilmärkte im Münsterland bereits gut vernetzt sind. Dennoch bestehe zusätzlicher Beratungsbedarf, welcher unter anderem durch neutrale Vermittlungsstellen für wirtschaftliche Unternehmen umgesetzt werden könnte. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen profitieren von dem Wissen und den Erfahrungen anderer Unternehmen. Interessant sei dabei, branchenübergreifende Kooperationen für gemeinsame Projekte anzustoßen.

Verlässliche Rahmenbedingungen

Ein zentrales Anliegen vieler Workshopteilnehmender war die Deregulierung der gesetzlichen Rahmensetzungen. Planungssicherheit sei bei den Unternehmen sehr wichtig, um Investitionen tätigen zu können. Insbesondere bei Förderungsprojekten wurde eine Vereinfachung der Richtlinien gefordert. Das gelte zum Beispiel bei der Anschubfinanzierung von Start-ups.

Fachkräfte

Um Fachkräfte zukünftig zu sichern, müsse man insbesondere junge, interessierte Menschen an den technischen Hochschulen für die Region interessieren. Schon früher müssten Schülerinnen und Schüler für technische Berufe begeistert werden.

Ulrich Ahlke (Leiter des Amtes für Klimaschutz und Nachhaltigkeit des Kreises Steinfurt) zeigte zu Beginn Chancen und Hürden der Energiewende im Bereich der Gebäudesanierung auf. Er verwies auf das ehrgeizige Ziel der Bundesregierung, bis 2050 den gesamten Energieverbrauch Deutschlands um die Hälfte senken zu wollen. Dafür müssten allein im Bereich der energetischen Gebäudesanierung die Maßnahmen um den Faktor drei bis vier erhöht werden. Das Potenzial für die Branche sei dementsprechend hoch. Schon jetzt können viele Handwerksbetriebe den hohen Bedarfsanforderungen nicht gerecht werden.

Innovationen fördern

Die Speichertechnologie für regenerative Energiequellen, wie Wind und Sonne, sollten weiter verbessert und in Projekten eingesetzt werden. Lokale Energieversorgungssysteme über Energiespeicher, die z.B. einen Straßenzug mit Strom versorgen, gelten als Zukunft der Energieversorgung. Die Teilnehmenden waren sich einig darin, dass die Förderung dieser Technologie sinnvoll sei.
Außerdem herrschte Einigkeit, dass ein neues Produkt (oder eine neue Technologie) von den Verbrauchern nur dann zum Einsatz kommt, wenn der Mehrwert direkt ersichtlich ist. Ohne die Bereitschaft in der Gesellschaft, eine Technologie einzusetzen, sei die beste Innovation ohne Erfolg. Wichtig ist – die Umsetzung in der Praxis muss einfach sein.

Die Gesellschaft mitnehmen

Als Beispiel für eine anwenderfreundliche Innovation mit direkt ersichtlichem Nutzen wurde eine Messtechnik für den Energieverbrauch von Haushaltsgeräten vorgestellt. Der Energieverbrauch wird für alle Geräte im Haushalt sichtbar und greifbar gemacht. Dadurch können Verbraucher einen direkten Bezug zum Stromverbrauch herstellen.

Das Handwerk mitnehmen

Zunächst jedoch müsse die Information über neue Produkte und ihren Mehrwert beim Endverbraucher ankommen. Deswegen sollte bei technischen Innovationen der Transfer in die Gesellschaft stets mitgedacht werden. Die Handwerkerschaft wurde dabei als wichtige Schnittstelle genannt. Gerade im Gebäudebereich sind es Handwerker, die im direkten Kontakt zum Verbraucher stehen. Sie müssten über das nötige Knowhow verfügen, um neue Produkte empfehlen, installieren und warten zu können. Somit kommt den Handwerkern auch bei der Energiewende eine Schlüsselrolle zu. Die Teilnehmenden waren sich darin einig, dass Beratungsleistungen vor allem das Handwerk einschließen sollten. So gebe es im Bereich der Gebäudesanierung innovative Verfahren, die schon lange erprobt seien, aber nur schleppend zum Einsatz kämen, da die Handwerker, die im direkten Kontakt mit den Endverbrauchern stehen, im Zweifel auf erprobte Verfahren zurückgreifen würden.

Staat als Vorreiter

Bei der Energieeffizienz von Gebäuden müssten die Kommunen eine Vorreiterrolle einnehmen. Die Bürger müssten sowohl im öffentlichen Raum als auch im Alltag sehen, dass der Staat Energieeffizienz – und damit die Energiewende – ernst nehme. Zwei Drittel des Energiebedarfs im öffentlichen Sektor entstehen in den rund 12.000 Gemeinden und Landkreisen. Diese Einsparpotenziale will auch die Bundesregierung heben und hat aus diesem Grund seit Januar 2015 ein Förderprogramm für regionale Energieeffizienz-Netzwerke für Gebietskörperschaften über das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ins Leben gerufen.

Uwe Hoolt (Technischer Leiter des MEET) leitete den Workshop „Stromspeicher als Schlüsseltechnologie der Energiewende, Chancen für das Münsterland“. In seinem Impulsvortrag ging er der Frage nach, wie zukunftsfähig die Region Münsterland mit ihren Unternehmen und Institutionen aufgestellt ist. Er wies darauf hin, dass der Trend in der Energieversorgung eindeutig in Richtung der erneuerbaren Energien gehe. Hier sei das Münsterland bereits gut aufgestellt und müsse vorhandene Stärken nutzen. Als Stärken der Region benannte er den Maschinen- und Anlagenbau, Innovative Werkstoffe und Ressourceneffizienz, die Logistikbranche, Wissensintensive Dienstleistungen, aber auch das Ernährungsgewerbe und die Gesundheitswirtschaft.

Stärken des Münsterlandes

Die Menschen seien mit ihrer Mentalität das Kapital der Region. Viele Familienbetriebe stärken durch die lokale Verwurzelung die regionale Wirtschaft und besäßen oft als Hidden Champions das Potential auch auf dem Weltmarkt erfolgreich zu sein.

Sowohl durch die zahlreichen Unternehmen, als auch durch den Hochschulstandort sei die Ausbildung hervorragend und könne zum Fachkräftewachstum beitragen. Unternehmen seien durch neue Technologien und ein effizientes Handwerk innovativ und verantwortungsbewusst im Umgang mit der Umwelt. Nachhaltigkeit zeige sich bei der Erzeugung erneuerbarer Energien beispielsweise durch Windenergie. Mit einer dynamischen Wirtschaft, der jungen Bevölkerung und vielen Innovationen sei das Münsterland ein attraktiver Standort für ein umweltwirtschaftliches Wachstum.

Umweltwirtschaftsbericht und Stromspeicher

Der Umweltwirtschaftsbericht solle durch Aspekte wie der Frage nach Ressourcen ergänzt werden. Ziel hierbei ist, die Ressourcen so zu nutzen, dass ein Recycling hinfällig wird. Als Beispiel wurden Ersatzteile für E-Bikes genannt, die aktuell noch keine große Relevanz besitzen, aber zukünftig gefragter sein werden.

Anschließend wurde über das Thema: Technologiemarketing diskutiert. Der Fokus der Diskutierenden lag erneut bei der zentralen Bedeutung des Handwerks. Denn diese seien im Point of Sale die letzte Verbindung zum Endverbraucher und sollten im Bereich der Vermarktung ebenfalls geschult werden.

Chancen für das Münsterland

Das Münsterland könne seine wirtschaftliche Stärke ausbauen, indem es vorhandene Ressourcen nutzt und ausarbeitet. Hierbei spielen der Radtourismus, die nachhaltige Ressourcennutzung und die regionale Förderung eine zentrale Rolle.

Der Radtourismus kann als festes Standbein in der Umweltwirtschaft genutzt und durch den Dienstleistungssektor in Form von Wartungen und Reparaturen ausgebaut werden.
Die dezentrale Stromspeicherung sei eine Chance bei der Energiewende. Durch intelligente Netze kann Strom bedarfsgerecht verbraucht und gespeichert werden und so Stromtrassen entlasten.

Randbedingungen

Um diese Chancen nutzen zu können, solle man die Randbedingungen verändern. Eine Überarbeitung des rechtlichen Rahmens sei dabei an manchen Stellen erforderlich.

Damit die für die Wirtschaft relevanten Familienbetriebe nicht verloren gingen, müsse man eine Förderung der Kleinunternehmen und der Landwirte gewährleisten, da diese bislang weniger als Großunternehmen von Förderungen profitieren würden.

Zusammenfassung und Podiumsdiskussion

Anschließend wurden die zentralen Ergebnisse aus dem jeweiligen Workshop präsentiert. Gemeinsam wurde konstatiert, dass in der Region Münsterland noch viel wirtschaftliches Potenzial stecke. Dieses könne noch besser ausgeschöpft werden. Ein wesentlicher Punkt sei die intensive Förderung der Fachkräfteausbildung. Hier sollte die Kooperation mit den Hochschulen noch stärker ausgebaut werden. Gut ausgebildete Fachkräfte seien der wichtigste Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen des Münsterlands. Weitere Potenziale der Region seien ungenutzte Flächen, beispielsweise für den Ausbau von Windenergie und der Ausbau des Dienstleistungssektors.

Abschließend fand eine Podiumsdiskussion mit Christian Grotholt (2G Energy), Ulrich Ahlke (Amt für Klimaschutz und Nachhaltigkeit Steinfurt), Uwe Hoolt (MEET), Prof. Dr. Christof Wetter (FH Münster) und Dr. Georgios Papanikolaou (MKLUNV) statt. Hier wurden die Ergebnisse aus den Workshops noch einmal aufgegriffen und diskutiert. Dabei ging es um den Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften, der in der Technologiebranche besonders hoch sei. Dr. Wetter betonte die Notwendigkeit der Vermittlung von technischem Verständnis bei Schülerinnen und Schülern, da in dieser Zeit das Fundament für die berufliche Laufbahn gelegt würde. Auch schlug er vor, die Schwelle zur Hochschule für Studieninteressierte zu senken, um Motivierten den Zugang nicht zu verbauen. Außerdem forderte er dazu auf, zunächst bestehende Hochschulen gezielt zu fördern, bevor neue Hochschulen errichtet würden.

Das Thema der Förderung und Finanzierung beschäftigte Podium und Plenum gleichermaßen. Kritisiert wurde der bürokratische Aufwand, der mit einem Förderantrag einherginge. Das würde gerade kleine und mittlere Unternehmen davon abhalten, sich auf eine Projektförderung zu bewerben, da hier die nötigen Ressourcen selten vorhanden seien.

Nach dem Get-together konnten die Teilnehmenden auf Einladung von Herrn Hoolt bei einem geführten Rundgang einen Blick hinter die Kulissen des Energieforschungszentrums MEET werfen.